Der Bourne Befehl
auf und blieb liegen. Amun kroch zur Seite, um sich vor dem Messer des Älteren in Sicherheit zu bringen, und sie verschwanden beide in der Dunkelheit. Damit blieben nur noch Soraya und Donatien Marchand übrig. Er starrte sie an wie ein in die Enge getriebener Wolf. Seine Augen schimmerten gelb vor Hass.
»Woher haben Sie gewusst, dass ich hier bin?« Als sie nicht antwortete, blickte er sich um. »Wo ist der Jude? Hat er etwa Angst?«
»Sie haben es jetzt mit mir zu tun«, erwiderte Soraya.
Doch bevor sie noch etwas sagen konnte, lief Marchand los. Sie rannte hinterher, durch den Gang, der zur Treppe führte. Ihre Gedanken waren auch bei Amun, der mit dem Araber kämpfte. Waren noch mehr von ihnen hier unten? Doch daran konnte sie jetzt nicht denken; sie durfte Marchand nicht davonkommen lassen.
Er erreichte die Treppe und sprang hinauf, flinker und beweglicher, als sie es ihm zugetraut hätte. Sie folgte ihm, dem wächsernen Licht der nackten Glühbirne entgegen.
Marchand lief so schnell, dass er mit der Schulter gegen die Glühbirne stieß. Sie schwang an ihrem Kabel vor und zurück und warf bizarre Schatten auf die Treppe. Soraya steigerte ihr Tempo und kam ihm nun rasch näher.
Plötzlich blieb Marchand stehen, wirbelte herum und zog eine kleine Pistole mit silbernem Griff. Er drückte ab, ohne zu zielen, und dann ein zweites Mal, als sie noch näher kam. Die Kugel durchschlug ihre Jacke an der Schulter, doch sie blieb unverletzt.
Soraya stürmte weiter und schlug ihm mit der Handkante die Pistole aus der Hand. Mit lautem Geklapper fiel sie die Treppe hinunter und blieb unten im Dunkeln liegen.
Soraya packte Marchand vorn an der Jacke und zog ihn zu sich, doch er griff hinauf zur Glühbirne und schlang ihr mit einer blitzschnellen Bewegung das Kabel um den Hals. Er zog die Schlinge zu, und sie würgte und rang nach Luft. Ihre Hände griffen hinauf, um das Kabel zu lockern, doch Marchand stand jetzt hinter ihr und zog die Schlinge nur noch fester zu.
Sie zog verzweifelt an dem Kabel, doch es war zwecklos. Die Schlinge schnitt sich immer tiefer in ihren Hals. Sie bekam keine Luft mehr und spürte, dass sie das Bewusstsein zu verlieren drohte.
SECHZEHN
Bourne kam mit seinen beiden Begleitern ohne weitere Zwischenfälle in Sevilla an. Sie waren am Flughafen von Madrid nicht von Interpol erwartet worden und gingen auch in Sevilla unbeachtet durch den Ankunftsterminal.
Wie versprochen, wartete ein Mietwagen mit einer Internetadresse auf sie. Bourne gab die Adresse in seinen mobilen Browser ein, worauf eine Karte des Gebiets von Sevilla bis Cádiz erschien. Eine violette Linie zeigte die Route an, die Essai vorschlug. Am Ende stand eine Adresse in Cádiz – vermutlich der Ort, an dem Don Fernando Herrera sie erwartete.
Sie stiegen in den Wagen ein, und Bourne fuhr los. Er hatte während des Fluges lange darüber nachgedacht, was Jalal Essai vorhaben mochte. Ihm war klar, dass das, was Essai ihm erzählt hatte, eine Mischung aus Wahrheit und Lügen war. Es musste sich erst zeigen, ob er ein Verbündeter oder ein Feind war. Auch sein Freund Boris Karpow gab ihm sehr zu denken. Hatte er wirklich die Anweisung bekommen, Bourne zu töten? Wenn ja, so hatte er jedenfalls noch nichts unternommen. Würde er so etwas tun? Klar war nur, dass Essai irgendetwas von Bourne wollte, etwas, von dem er wusste, dass Bourne es nicht tun würde, wenn er ihn direkt darum bat. Hatte es mit Boris zu tun? Bourne hatte das Gefühl, dass sich ein riesiges Netz um ihn zusammenzuziehen begann, doch die Ursachen und Motive dahinter waren noch im Dunkeln.
Jemand wollte ihn – aber warum und wofür?
»Du redest nicht viel, stimmt’s?«, sagte Rosie neben ihm.
Bourne lächelte nur. Er war etwas beunruhigt, dass ihnen jemand folgen könnte – doch bis jetzt konnte er nichts Auffälliges erkennen.
»Ich habe noch nie jemanden wie dich getroffen.«
» Dios mio , Rosie«, warf Vegas vom Rücksitz ein, »hör auf, ihn mit Fragen zu löchern.«
»Ich will mich nur ein bisschen unterhalten, mi amor .« Sie wandte sich Bourne zu, doch ihr Blick ging an ihm vorbei. »Ich weiß, wie es ist, allein zu sein – wirklich allein, wenn man im Dunkeln ist und zusieht, wie die anderen im Licht leben.«
»Rosie!«
»Lass nur, mi amor .« Sie wandte sich wieder Bourne zu. »Was ich nicht verstehe – warum macht das jemand freiwillig?«
»Weißt du«, sagte Bourne, »du redest gar nicht wie jemand, der aus der tiefsten Provinz in Kolumbien
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