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Der Bourne Betrug

Der Bourne Betrug

Titel: Der Bourne Betrug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Ludlum
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hatte sie ihn in London auf einer Diplomatenparty – der Botschafter irgendeines Balkanstaats hatte zum 75. Geburtstag alle seine über sechshundert Freunde eingeladen, darunter auch Anne. Sie hatte damals für den Direktor des Geheimdiensts MI6 gearbeitet, einen altbewährten Freund des DCI.
    Sie hatte sich sofort schwindlig und ein bisschen ängstlich gefühlt. Schwindlig wegen seiner Nähe, ängstlich wegen seiner starken Wirkung auf sie. Mit ihren dreiundzwanzig Jahren war sie keineswegs unerfahren, was Männer betraf. Aber ihre Erfahrungen hatte sie mit unreifen Jungen gesammelt. Ihr Geliebter war ein Mann. Jetzt sehnte sie sich nach ihm mit einem Schmerz, der einen Knoten in ihrer Brust zurückließ.
    Ihre Kehle war wie ausgedörrt. Sie durchquerte die Diele und betrat die Bibliothek, deren zweite Tür auf den kleinen Flur zur Küche hinausführte. Sie hatte nur zwei oder drei Schritte in den Raum hinein gemacht, als sie wie angenagelt stehen blieb.
    Nichts war so, wie sie es zurückgelassen hatte. Der Anblick schreckte sie aus dem emotionalen Tief auf, in dem sie gesteckt hatte. Ohne den Blick vom Tatort zu nehmen, öffnete sie ihre Handtasche und nahm die Smith & Wesson J-frame heraus. Sie war eine gute Schützin; sie trainierte zweimal in der Woche auf dem CI-Schießstand. Nicht weil sie sich viel aus Schusswaffen machte, sondern weil die Schießausbildung auch für Büropersonal Pflicht war.
    So bewaffnet sah sie sich genauer um. Dies war nicht die Arbeit eines Einschleichdiebs, der eingebrochen und alles
durchwühlt hatte. Hier hatte jemand sauber und ordentlich gearbeitet. Hätte sie nicht ein so gutes Gedächtnis für Details gehabt, hätte sie die Veränderungen vielleicht überhaupt nicht wahrgenommen – so unbedeutend waren die meisten. Papiere auf ihrem Schreibtisch, die nicht ganz so ordentlich gestapelt waren wie zuvor, eine altmodische verchromte Heftzange, die in einem anderen Winkel dazu lag, ihre farbigen Filzstifte in leicht veränderter Lage, die Bücher in den hohen Regalen etwas weniger präzise aufgereiht.
    Als Erstes durchsuchte sie sämtliche Räume und Schränke des Hauses, um sich zu vergewissern, dass sie allein war. Dann kontrollierte sie alle Türen und Fenster. Nirgends eine Spur von Gewaltanwendung. Das bedeutete, dass jemand ihre Schlüssel besaß oder die Haustür mit einem Dietrich geöffnet hatte. Die zweite Möglichkeit erschien ihr bei Weitem wahrscheinlicher.
    Als Nächstes kehrte sie in die Bibliothek zurück und untersuchte langsam und methodisch jeden einzelnen Gegenstand. Das war wichtig, um ein Gefühl dafür zu bekommen, wer in ihr Haus eingedrungen war. Während sie von einem Regal zum anderen ging, stellte sie sich vor, wie er sie beschattete, wie er herumwühlte und -stocherte, um ihre tiefsten Geheimnisse auszuspionieren.
    Bedachte man, in welcher Branche sie arbeitete, war ein Ereignis dieser Art gewissermaßen unvermeidlich. Aber diese Erkenntnis milderte kaum die Angst, die sie wegen der Vergewaltigung ihrer privaten Existenz empfand. Natürlich wurde sie wirkungsvoll beschützt. Und sie war zu Hause ebenso gewissenhaft vorsichtig wie im Dienst. Wer hier herumwühlte, fand nichts Brauchbares, dessen war sie sich sicher. Es war die Tat selbst, die an ihr nagte. Sie war angegriffen worden. Weshalb? Von wem? Fragen, auf die es keine sofortigen Antworten gab.

    Vergiss jetzt das Glas Wasser , sagte sie sich. Stattdessen schenkte sie sich einen doppelten Single-Malt Scotch ein, trank einen kleinen Schluck davon und nahm das Glas mit in ihr Schlafzimmer nach oben. Sie setzte sich aufs Bett, streifte ihre Schuhe ab. Aber das weiter durch ihren Körper kreisende Adrenalin ließ sie nicht zur Ruhe kommen. Sie stand auf, ging auf Strümpfen an den Toilettentisch und stellte ihr auf alt getrimmtes Glas darauf ab. Vor dem Spiegel stehend knöpfte sie ihre Bluse auf, ließ sie von den Schultern gleiten. Schließlich trat sie in den begehbaren Einbauschrank und schob eine Reihe darin hängender Blusen zur Seite, um an einen freien Kleiderbügel heranzukommen. Sie griff nach oben … und erstarrte mitten in der Bewegung. Ihr Herz schlug wie ein Vorschlaghammer, und sie spürte, wie eine Woge von Übelkeit sie überflutete.
    An dem verchromten Kleiderbügel vor ihr baumelte eine Henkerschlinge in Miniaturausführung. Und in der

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