Der Bourne Verrat: Roman (German Edition)
darauf ausruhen.
Ruhe war das, was sie sich am allermeisten wünschte. Ruhe und tiefen, friedlichen Schlaf, doch daran war nicht zu denken. Don Fernando hatte sie immer wieder verblüfft. Nachdem sie nun das Grab ihres Vaters besucht und gesehen hatte, was aus ihrer Mutter geworden war – wie sollte sie da so weitermachen wie bisher? Aber was bleibt mir anderes übrig?
Sie wandte sich an Don Fernando. »Ich habe Durst. Wo ist die Flugbegleiterin?«
»Ich habe das Personal gestern Abend nach Paris zurückgeschickt«, sagte er, ohne aufzublicken.
Sie gab sich wieder ihren dunklen Gedanken hin. Ihr wurde klar, dass sie den Halt verloren hatte. Sie war sich so sicher gewesen, dass es nichts gab, was sie aus der Bahn werfen konnte. Und nun stand sie vor einer Situation, in der sie einfach nicht mehr weiterwusste. Sie fühlte sich wieder wie ein kleines Mädchen, allein und verlassen, wollte nur noch weglaufen, auch wenn das, was vor ihr lag, unbekannt war. Sie spürte ein Schwindelgefühl, als würde sie aus großer Höhe abstürzen. Ihr dämmerte langsam, dass Maceo Encarnación sie in eine Welt nach seinen Vorstellungen verpflanzt hatte, eine Umgebung, in der sie funktionierte … aber als was? Als seine eiserne Faust oder seine Marionette, die nach seinem Willen einen Auftrag nach dem anderen ausführte. Tod, Tod und wieder Tod. Sie erkannte jetzt, dass er ihr das Gefühl eingeimpft hatte, dass Töten alles war, was sie wirklich konnte, und dass sie ohne die Aufträge, die er ihr übertrug, ohne das Geld, das sie von ihm erhielt, nichts war.
»Du lebst für den Moment des Todes« , hatte er zu ihr gesagt. »Das macht dich einzigartig. Das macht dich wertvoll für mich.«
Sie erkannte, wie er sie beeinflusst, ihr geschmeichelt, ihr Ego gestreichelt hatte. Sie war seine Marionette, er hatte alle Fäden in der Hand. Ein eisiger Hauch durchfuhr sie, und sie schauderte innerlich.
»Was hältst du von dieser neuen Falcon 2000S?«, fragte Don Fernando und legte ihr das aufgeschlagene Heft mit dem Bericht über den Privatjet in den Schoß. »Dieses Flugzeug muss generalüberholt werden. Aber vielleicht sollte ich mir etwas Besseres anschaffen.«
»Ist das dein Ernst?« Sie sah ihn an, würdigte die Bilder der Falcon keines Blickes. »Ist es wirklich das, was dich beschäftigt?«
Er zuckte mit den Achseln und nahm die Zeitschrift wieder an sich. »Vielleicht hast du kein Gespür für Flugzeuge.«
»Vielleicht hast du kein Gespür für das, was gerade abläuft«, erwiderte sie, um einiges hitziger, als sie beabsichtigt hatte.
Er legte die Zeitschrift beiseite. »Ich höre.«
»Was sollen wir jetzt machen?«
»Das liegt ganz bei dir.«
Sie schüttelte bestürzt den Kopf. »Verstehst du denn nicht? Wenn ich dich nicht töte, bringt Maceo Encarnación mich um.«
»Verstehe.«
»Das glaube ich nicht. Ich kann ihm nicht entkommen.«
»Wie gesagt, ich verstehe dich.«
»Und was soll ich dann …?«
»Hast du immer noch vor, mich zu töten?«
Sie schnaubte verächtlich. »Sei nicht albern.«
Er wandte sich ihr ganz zu. »Martha, ich weiß, eine so tief greifende Veränderung ist nicht so einfach.«
»Keiner weiß das besser als ich. Ich hab gesehen, wie schwer so etwas ist. Im letzten Moment …«
»… bringt es derjenige dann doch nicht fertig.«
»Obwohl er es will.«
»Es kommt vor«, sagte er, »dass der Betreffende, wenn er keinen Ausweg mehr sieht, sich das Leben nimmt.«
Sie sah ihn ruhig an. »Das wird mir nicht passieren.«
Er nahm ihre Hand in seine. »Wie kannst du dir da so sicher sein, Martha?«
»In Gibraltar hast du mein Herz auseinandergenommen, die dunklen Flecken herausgepickt und es wieder zusammengesetzt.«
»Nein«, widersprach er, »das hast du gemacht.«
Ein Lächeln erschien in ihrem Gesicht. »Und wer hat mir das Skalpell gereicht?«
Das Flugzeug ging tiefer, berührte die Wolken und tauchte hinein – der Himmel ein einziges formloses Grau, als wären sie allein in der Luft, abgeschieden von der Welt.
»Wir landen gleich«, sagte Martha. »Ich muss ihn anrufen.«
»Bitte, tu’s.«
»Was soll ich ihm sagen?«
»Sag ihm, was er hören will«, schlug er vor. »Du hast deinen Auftrag erledigt. Sag ihm, ich sei tot.«
»Er verlangt immer einen Beweis.«
»Den liefern wir ihm.«
»Er muss aber überzeugend sein.«
»Das wird er«, versicherte Don Fernando.
Sie kniff die Augenbrauen zusammen. »Ich verstehe nicht.«
Er öffnete den Sicherheitsgurt und stand auf. »Das
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