Der Brandstifter
nichts mit meinem Kollegen Langton zu tun hatte, da war ich mir ganz sicher.
Es konnte gar nicht anders sein.
Natürlich war nicht davon auszugehen, dass Judd ganz bewusst für unser Überwachungsteam die deprimierendste, ödeste und verlassenste Gegend ausgesucht hatte, die er auf dem Stadtplan finden konnte. Aber wenn es sein Plan gewesen war, uns diese Nacht an den scheußlichsten Ort der Welt zu schicken, dann hätte er dafür keinen geeigneteren Platz finden können. Sam hatte in einer Seitenstraße geparkt, von wo aus man die Grünanlage gut einsehen konnte, die ich aufgrund der Fotos vom Fundort von Alice Fallons Leiche wiedererkannte. Es war jetzt exakt neun Wochen her, seit man sie an der Mauer am anderen Ende des Parks gefunden hatte. Als ich den Tatort unauffällig durch das Infrarot-Fernglas betrachtete, erkannte ich an den Betonziegeln noch immer leichte Brandspuren. Auf dem Spielplatz baumelte nutzlos eine kaputte Schaukel, bei der sich an einer Seite die Aufhängung gelöst hatte, und die Plastikrutsche war im unteren Teil arg ramponiert. Ein halbrundes Stück war herausgebrochen und hatte eine gefährliche Kante hinterlassen. Abgesehen davon, dass jetzt mehr Laub auf der Erde lag und die Überreste der Wiese sich durch heftigen Regen in einen Schlammpfuhl verwandelt hatten, war alles weitgehend unverändert.
» Lass das Ding mal lieber wieder verschwinden. Du willst uns doch nicht gleich verraten, oder?« Sam hatte an seinem Sitz die Lehne, so weit es ging, nach hinten gestellt und spähte, die massigen Arme verschränkt, durch die Frontscheibe. Er trug ein schwarzes Sweatshirt, das eindeutig schon bessere Zeiten gesehen hatte und an dem man problemlos Sams Speiseplan ablesen konnte: Eigelb (von einem mitternächtlichen Frühstückssandwich) und Chipskrümel ohne Ende.
» Ja klar, weil wir so extrem unauffällig wirken.«
» Ich weiß gar nicht, was du hast. Ist doch das Normalste von der Welt, dass ein fetter alter Knacker die Nacht mit zwei hübschen Mädels verbringt. Im Auto. Mitten im Winter. Komplett angezogen, und trotzdem friere ich mir hier die Eier ab.« Er beugte sich nach vorn und schaltete die Heizung an.
» Mann, jetzt beschlagen wieder die Fenster.« Ich ließ mein Fenster einen Spalt herunter, woraufhin ein Schwall eisige Luft und Regentropfen hereinkamen. Ich zog das Kinn an die Brust und vergrub mein Gesicht im Schal, damit wenigstens meine Nase warm blieb. Obwohl ich eine Daunenjacke anhatte, saß mir nach etlichen Stunden im Auto die Kälte ganz schön in den Knochen.
» Na super, jetzt machst du’s ja noch schlimmer. Gleich beschlagen hier drin die Fenster, weil ich vor Wut koche.«
» Ekelhaft.« Katy saß mit einer Decke über den Knien zitternd auf der Rückbank. » Das ist ja wohl der fieseste Einsatz, den es je gab. Wozu machen wir das gleich noch mal?«
» Proaktive Polizeistrategie«, antworteten Sam und ich im Chor.
» Absoluter Schwachsinn ist das«, schimpfte Katy, und ich musste ihr vollkommen Recht geben.
» In zwei Minuten müsstest du dann mal wieder raus.« Sam tippte auf die Uhr im Armaturenbrett. » Du hast ja gehört, was Judd gesagt hat, dass ihr nicht die ganze Nacht im Auto sitzen sollt. Vielleicht verpasst du sonst noch deinen ganz großen Auftritt.«
» Tom Judd musste auch noch nie im Leben in Netzstrümpfen und Minirock rumlaufen«, beklagte sich Katy. » Noch dazu mitten im Winter.«
» Ach, bestimmt hat er so was schon anprobiert. So ganz privat bei sich zu Hause.«
Wir saßen eine Weile schweigend da und stellten uns bildlich vor, was ich gerade gesagt hatte. » Ach du schöne Scheiße«, sprach Sam aus, was wir in diesem Moment alle drei dachten.
Regen peitschte gegen die Windschutzscheibe, und Katy riss entsetzt die Augen auf. » Ist das etwa Schneeregen?«
Ich beschäftigte mich angelegentlich mit dem Überwachungsprotokoll auf meinen Knien und überließ es Sam, die schlechte Nachricht zu überbringen.
» Allerdings, und davon ist auch noch mehr zu erwarten, schätze ich. Bei diesem Wetter jagt man doch keinen Hund vor die Tür, oder was sagst du, Maeve?«
» Jetzt halt mal die Luft an, Sam«, sagte ich ruhig. » Katy, meinst du, du kannst wieder mal eine Runde gehen? Die letzte ist schon ein Weilchen her.«
» Ja, geht schon klar.« Sie nahm ihre Tasche und kontrollierte im Rückspiegel ihr Make-up. Dabei murmelte sie vor sich hin: » Ich habe gerade wieder ein bisschen Gefühl in meinen Füßen gekriegt. So was wäre auf Dauer
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