Der Brandstifter
meinen Daumen in die Höhe, und sie sah mich streng an. » Versprochen?«
» Versprochen.« Ich würde auf alle Fälle hingehen, auch wenn ich das mit der Untersuchung anders sah als sie.
Ein Stück entfernt sah ich Sam zusammengesunken auf einer Bank sitzen, ein Bild des Jammers, und ging auf ihn zu.
» Besten Dank auch für die Prügel. Hab ich dir jemals was getan? Ich dachte schon, als Nächstes gehst du mit Reizgas auf mich los. Halt dich beim nächsten Mal lieber gleich an den Serienkiller, okay?«
» Tut mir leid.« Er blickte auf. » Meinst du, dass sie durchkommt?«
Überflüssig nachzufragen, wen er meinte. » Das wollen wir doch mal hoffen.« Und dann hatte ich noch das Bedürfnis, es jemandem zu sagen: » Sah böse aus.«
» Ich hätte schneller da sein müssen. Aber sie war schon raus aus dem Auto und fast beim Parkeingang, als ich überhaupt erst mitgekriegt habe, dass da was nicht stimmt.«
Er hatte natürlich Recht, aber was hätte es gebracht, ihm ein noch schlechteres Gewissen einzureden, als er es so schon hatte? » Du bist ja auch nicht gerade der Sprintspezialist. Und mit ihren Beinen ist Maeve sowieso klar im Vorteil.« Kein Lächeln von ihm. » Hör mal, sie ist doch eine Kämpferin. Sie wird’s schon schaffen.« Das klang so verdammt viel optimistischer, als ich es in Wirklichkeit war.
Sam schüttelte stur den Kopf. » Das werde ich mir nie verzeihen.«
» Willst du jetzt weiter hier rumsitzen und flennen oder vielleicht doch was Sinnvolles tun?«
Selbst in tiefster Verzweiflung war Sam ein viel zu ausgebuffter alter Fuchs, um geradeheraus mit Ja zu antworten. » Kommt drauf an. Worum geht’s denn?«
» Sie haben sie ins St. Luke’s gebracht. Hast du eine Idee, wie wir jetzt dorthin kommen?«
Er stand auf und sah schon etwas zuversichtlicher aus. » Ich hab doch das Auto.«
» Ich dachte schon, das würde dir gar nicht mehr einfallen.« Wir liefen los in Richtung Ausgang. Dabei kamen wir an der Stelle vorbei, wo der junge Mann unter den strengen Blicken von Judd und Godley systematisch gefilzt wurde.
Wir blieben beide zugleich stehen.
» Ja verflucht, guck dir das an.«
Vor dem jungen Mann lag ein Haufen mit seinen persönlichen Sachen: Geldbörse, Schlüssel, Handy. So weit alles ganz normal. Doch dann kamen weitaus unnormalere Dinge: ein kleines rechteckiges Etwas mit zwei Metallzinken, das ich aus Schulungen als Elektroschocker erkannte, eine Brechstange, ein Bolzenschneider, eine Rolle grüne Gartenschnur, ein Maurerhammer mit schwarzem Gummigriff.
» Sieht ganz so aus, als wäre er das«, merkte Sam an.
» Ja. Man merkt, dass man alt wird, wenn die Serienmörder anfangen wie Kinder auszusehen.«
Der Verdächtige war nur noch mit einem weißen T-Shirt und seiner Hose bekleidet. Sie hatten ihm die Schuhe ausgezogen, um sie zu untersuchen. Nun stand er mit bläulich verfärbten nackten Füßen auf dem nasskalten Beton. Er sah zu uns auf; aus seinem Blick sprach Verzweiflung, und sein Kinn war mit entzündeten Pickeln bedeckt. Rund um Augen und Nase hatte er rote Flecken, die von der körperlichen Auseinandersetzung zeugten. Er war groß und kräftig gebaut, aber vom Gesicht her wirkte er wie ein Teenager, obwohl das angesichts seiner brutalen Morde eigentlich undenkbar war.
Ich wandte mich ab, und Sam folgte mir kurz darauf. Schweigend verließen wir den Park. Der Brandstifter befand sich in Gewahrsam, aber irgendwie waren wir trotzdem nicht so recht in Feierlaune.
Das Krankenhaus wirkte wie das Ende der Welt. Das Wartezimmer war mit grauenhaften grünen Girlanden und goldenen Papiersternen dekoriert, die den engen Raum kein bisschen erträglicher machten, sondern mich nur schmerzlich daran erinnerten, dass bald Weihnachten war und es wenig Grund zur Freude gab. Die Plastikstühle waren allesamt besetzt mit leicht versehrten Opfern diverser Weihnachtspartys, betrunkenen Büroangestellten, speckigen Pennern und ein paar Typen, deren Kneipensause wohl tätlich geendet hatte. Als wir eintraten, empfing uns stickig-warme Luft mit einem Hauch von Erbrochenem, sodass ich widerwillig an der Tür stehen blieb.
» Großer Gott.«
» Selbst der würde sich nicht mit denen hier abgeben.« Sam hatte sich inzwischen wieder halbwegs gefangen und ging schnurstracks auf den verglasten Empfangstresen zu. Dahinter befanden sich mindestens fünf Schwestern, denen es vortrefflich gelang, die Warteschlange zu ignorieren. Sam schob sich an den Wartenden vorbei, klopfte sehr zu deren
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