Der Brandstifter
eingefunden, und beim Anblick des Verdächtigen ging ein leises Raunen durch die Menge. Die Blessuren in seinem Gesicht hatten inzwischen hübsch Farbe angenommen. Mit verkrampften Schultern setzte er sich an den Tisch und wirkte eher unscheinbar.
» Der ist aber verdammt jung, was?« Colin Vale sprach genau das aus, was ich gerade dachte. Er sah wesentlich jünger aus als 24, vor allem, als er anfing, an den Fingernägeln zu kauen.
Aber auch seine Anwältin war noch recht jung. Vermutlich war sie bei einer großen Kanzlei beschäftigt und hatte Bereitschaftsdienst gehabt. Als Neuling musste sie diese ungeliebte Pflicht am Wochenende vermutlich übernehmen. Sie hatte langes, glattes rotes Haar mit einem üppigen Pony. Ihr Gesicht darunter war sehr blass, was angesichts der frühen Stunde nicht verwunderlich war. Ihr Kostüm war zerknittert, und sie kam mir nervös vor, als sie neben Selvaggi Platz nahm, sich zu ihm hinüberbeugte und ihm etwas zuflüsterte. Auch das war nicht verwunderlich, schließlich ging es um ein Verbrechen, wie es schlimmer kaum vorstellbar war.
Mir fiel auf, dass sich alle im Besprechungsraum gespannt nach vorn gelehnt hatten. » Mach mal den Ton an, Colin.«
Jetzt hörte man Pettifer, der gerade den Standardtext abarbeitete, mit dem jede Vernehmung eingeleitet wurde: Datum, Uhrzeit, Ort und Anwesende für die Bandaufzeichnung. Als Selvaggi nach seinem Namen und Geburtsdatum gefragt wurde, nannte er beides mit derart leiser und belegter Stimme, dass ich mich sehr anstrengen musste, um etwas zu verstehen. Er sprach mit weichem Südlondoner Dialekt und zog die Wörter stark zusammen. Die Anwältin hieß Rosalba Osbourne. Sie gab sich betont sachlich und routiniert, als hätte sie tagtäglich mit derartigen Verbrechen zu tun. Das hatte etwas Absurdes an sich, obwohl die Abläufe an sich ja tatsächlich reine Routine waren. Aber sie bemühte sich offenkundig sehr, dass niemand etwas von ihrer Nervosität mitbekam, die sie gerade an ihrem Stift ausließ. Pettifer belehrte Selvaggi nochmals, ehe er mit der Vernehmung begann. Er hielt sich streng an die Vorschriften und achtete darauf, dass alles wasserdicht war.
» Also«, sagte Pettifer, nachdem die Formalien erledigt waren. » Mr. Selvaggi, wissen Sie, weshalb Sie heute Morgen verhaftet wurden?«
» Wegen einer Verwechslung.«
» Was meinen Sie damit?«
Er räusperte sich, was aber nichts bewirkte. Seine Stimme war noch immer heiser. » Sie haben mich mit jemandem verwechselt. Mit diesem Serienmörder.«
» Sie wurden im Park an der Campbell Road verhaftet, nicht wahr?«
Er nickte, und nach einem kleinen Schubser von seiner Anwältin antwortete er: » Ja.«
» Was haben Sie dort gemacht?«
Schulterzucken. » Bin halt so rumgelaufen.«
» Aha, rumgelaufen. Gehen Sie öfter mitten in der Nacht spazieren? Im strömenden Regen?«
» Ich hatte Stress bei der Arbeit. Ich brauchte mal eine Pause.«
» Überfallen Sie bei solchen Spaziergängen öfter Frauen?«
Er sah seine Anwältin an, die den Kopf schüttelte. » Kein Kommentar.«
» Sie wurden heute Morgen auf frischer Tat gestellt, als Sie zwei Frauen angegriffen haben. Beide waren zufällig Polizeibeamtinnen, was Sie nicht wissen konnten.«
» Kein Kommentar.«
» Bei der anschließenden Durchsuchung haben wir festgestellt, dass Sie diese Gegenstände bei sich hatten.« Pettifer wartete, bis Judd die Beutel mit den Beweismitteln vor Selvaggi auf den Tisch gelegt hatte. » Einen Elektroschocker. Einen Hammer. Eine Brechstange. Gartenschnur. Einen Bolzenschneider. Wie erklären Sie uns das?«
» Hab ich gefunden.« Es war dumm von ihm, sich zu einer Erklärung hinreißen zu lassen, und entsprechend genervt wirkte Rosalba, aber sie ließ ihn ausreden. » Sie lagen halt rum, und ich hab sie aufgehoben.«
» War das, bevor Sie die Frauen angegriffen haben?«
» Ich habe sie nicht angegriffen. Die lagen auch schon da.«
» Wer hat die beiden denn dann attackiert, Mr. Selvaggi?«
» Jemand anders.«
» Haben Sie denn jemanden gesehen? Wir haben nämlich diese Gegend gerade observiert, und da hätte es uns ja auffallen müssen, wenn dort noch jemand unterwegs gewesen wäre.«
Wieder Schulterzucken.
» Ich gebe zu Protokoll: Mr. Selvaggi zuckt mit den Schultern.« Pettifer trank einen Schluck Wasser. Eigentlich lief es gar nicht so übel. Schwer vorstellbar, dass er sich da würde rausreden können, wo wir ihn doch in flagranti erwischt hatten.
Judd meinte offenbar, es besser zu
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