Der Brandstifter
war. Doch als ich den Schlüssel im Schloss umdrehte, schlug mir abgestandene Luft entgegen, sodass mir unwillkürlich ein Schauer den Rücken hinunterlief. Ich musste mich in der Wohnung nicht weiter umsehen, um zu wissen, dass niemand da war. Die Frage war nur, ob sie einen Hinweis hinterlassen hatte, aus dem sich schließen ließ, wo sie sich aufhielt– und, falls das der Fall war, ob ich ihn finden würde. Ich hatte schon eine Menge Zeit damit zugebracht, Rebeccas Kram zu ordnen. So oder so. Um Dinge zu vertuschen. Ich wusste Sachen über sie, die niemand sonst ahnte– und die auch niemanden etwas angingen. Und auch sie wusste einiges über mich.
Ich riss mich aus meinem tranceartigen Zustand, schloss die Tür hinter mir, zog meinen Mantel aus und machte mich an die Suche.
2
Maeve
Es wäre nicht entfernt ein solcher Albtraum gewesen, vom Krankenhaus wieder wegzukommen, wenn die Medien nicht Wind davon bekommen hätten, dass auf der Intensivstation ein Verdächtiger lag. Kaum tauchte der Chef am Hinterausgang des Gebäudes auf, hefteten sie sich wie ein Rudel Wölfe an unsere Fersen. Von der anderen Straßenseite, wo man die Reporterschar hinter Metallzäune gepfercht hatte, brach ein chaotisches Fragenkonzert los.
» Chief Superintendent Godley! Hier drüben, bitte!«
» Haben Sie ihn erwischt?«
» Stimmt es, dass Sie einen Verdächtigen verhaftet haben?«
Ich drückte mich an dem Presseaufgebot vorbei, das meiner Person zum Glück keinerlei Aufmerksamkeit schenkte, und ging zu meinem Auto. Wahrscheinlich war ich nun in den Nachrichten, aber außer meiner Mutter und ihrem Bekanntenkreis erkannte mich da sowieso niemand. Normalerweise tat ich alles, um mich nicht auf dem Bildschirm sehen zu müssen– das hatte ich mir zur Regel gemacht. Ungekämmtes, dunkelblondes Haar, steinerne Miene, hängende Schultern: Nichts davon passte zu meinem Selbstbild, doch genau das war immer auf dem Fernsehschirm zu sehen, wenn ich mal wieder einem Kameramann durchs Bild gelaufen war. Innerlich hörte ich schon die Stimme meiner Mutter: Ach Maeve, wenn du doch nur einmal gerade stehen könntest. Ich richtete den Blick zu Boden und lief weiter, wobei ich hinter mir das Geräusch von Robs Schritten auf dem Asphalt hörte, der mich offenbar einzuholen versuchte. Es war nicht das erste Mal, dass ich ausgesprochen froh war, nicht im Rampenlicht zu stehen, und dass Godley den Showstar geben musste, auch wenn er das verabscheute. In Anbetracht seiner Position und seines Bekanntheitsgrades war er alles andere als erpicht auf öffentliche Aufmerksamkeit. Seine Erklärungen waren nüchtern und sachlich, seine Pressekonferenzen liefen geregelt ab, und wenn er nichts zu sagen hatte, sagte er eben nichts. Doch alles, was er äußerte oder tat, hatte Nachrichtenwert, ganz besonders im Moment. Das Interesse an diesem Brandmörder grenzte schon an Hysterie. Godley verbrachte Stunden am Telefon, nur um Zeitungsredakteure und Fernsehchefs um etwas mehr Vernunft und Verantwortungsgefühl bei ihrer Berichterstattung zu bitten. Wir brauchten Raum zum Arbeiten, aber sobald man ihnen den kleinsten Durchschlupf ließ, machten sie sich sofort darin breit. Alles nur im Interesse der Öffentlichkeit, versteht sich– und wenn sie darauf verwiesen, dass das öffentliche Interesse immens sei, hatten sie ja durchaus Recht. Trotzdem wollte es mir nicht in den Kopf, wie permanente Spekulationen über unseren ausbleibenden Erfolg jemandem nutzen sollten.
Ich konnte mir kaum vorstellen, dass Godley der Presse heute viel mitzuteilen hatte. An einem solchen Tag, wo es nur böse Überraschungen gab. Noch vor einer Stunde war er wahrscheinlich damit beschäftigt gewesen, seine Rede für die Pressekonferenz vorzubereiten, auf der wir die gute Neuigkeit verkünden wollten.
Machen Sie sich keine Sorgen mehr, es ist vorbei. Sie können sich wieder voll und ganz in Ihre Weihnachtsvorbereitungen stürzen. Und wenn Sie uns jetzt bitte entschuldigen möchten: Wir genehmigen uns mal ein Bierchen.
Aber das war auf unbestimmte Zeit verschoben. Unweigerlich fröstelte ich bei dem Gedanken an unseren nächsten Einsatzort und an das, was wir dort zu sehen bekommen würden. Wieder eine Leiche. Wieder eine Frau, brutal misshandelt und bis zur Unkenntlichkeit verbrannt. Und die Identität des Täters– vor allem sein Motiv– war noch immer so rätselhaft wie bei den vier Leichen zuvor.
» Alles in Ordnung mit dir?« Rob hatte mich am Parkautomaten eingeholt, der gerade
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