Der Brandstifter
Übereifrig. Und allgegenwärtig, meistens jedenfalls. Dem Gedanken, dass er diesmal wohl verschlafen hatte, haftete irgendwie etwas Tröstliches an.
Ich tippte auf den Stadtplan. » So, jetzt konzentriere dich mal bitte. Wie geht’s von hier aus weiter?«
Er starrte erst auf die Straßenschilder, dann auf die aufgeschlagene Seite… und fing hektisch an zu blättern, als ihm aufging, dass er statt Vauxhall gerade Poplar vor sich auf den Knien liegen hatte.
» An der Ampel links. Nein, geradeaus.«
» Sicher?«
» Sicher«, sagte er und klang alles andere als überzeugt. Ich hielt mich aber daran, und wir mussten, soweit ich es mitbekam, auch nur wenige Male wenden.
Unbehelligt von den Medien und noch vor dem Chef erreichten wir Stadhampton Grove und hielten dem Polizisten an der Absperrung unseren Ausweis unter die Nase.
» Wenigstens haben wir diesmal einen richtig abgesperrten Tatort. Das ist doch schon mal was«, murmelte Rob.
Ich nickte und parkte hinter einem Einsatzwagen der Polizei. » So was wie bei Charity Beddoes möchte ich echt nicht noch mal erleben.«
Das war so richtig in die Hose gegangen. Es war der vierte Mordfall, der Leichnam lag in Mostyn Gardens, zwischen Kennington und Brixton. Die Einsatzkräfte hatten die Handschrift des Brandmörders sofort erkannt. Unglücklicherweise sicherte sich einer von ihnen ein hübsches Extra-Sümmchen, indem er jemandem von der Boulevardpresse einen Tipp gab und dieser daraufhin noch vor der Spurensicherung mit seiner Videokamera auftauchte. Scotland Yard musste sehr schnell reagieren, um zu verhindern, dass die Aufnahmen von Opfer und Tatort über die Nachrichtensender liefen. Im Internet waren sie dennoch zu finden, wenn man danach suchte, obwohl wir mit allen Mitteln versuchten, das Material löschen zu lassen, sobald es irgendwo auftauchte. Die Spurenlage war jedenfalls hoffnungslos ruiniert. Eine Frau war umgebracht worden, und wir hatten nichts in der Hand, was uns bei der Jagd nach dem Mörder hätte helfen können. Und das nur deshalb, weil einer unserer Gesetzeshüter einem kleinen Nebenverdienst nicht widerstehen konnte.
Es war unschwer zu erkennen, wo wir hinmussten. Die Kollegen von der Spurensicherung waren schon im Einsatz und stellten auf einem Stück Ödland, ungefähr hundert Meter von unserem Parkplatz entfernt, rings um eine Stelle aus geschwärztem Gras ihre Sichtschutzwände und Scheinwerfer auf. Eine große, schlaksige Gestalt im Overall schlich vorsichtig um den abgesteckten Bereich herum, wobei sie ihre ganze Aufmerksamkeit auf eine Stelle am Boden gerichtet hatte, wo vermutlich der Leichnam lag.
Rob schaute in dieselbe Richtung wie ich. » Ah, Glen ist schon da.«
» Ja, ich seh’s. Da wird Godley aber froh sein.«
Glen Hanshaw war der Rechtsmediziner, der auch die vier anderen Opfer obduziert hatte. Außerdem gehörte er zu Godleys besten Freunden. Die beiden waren ungefähr im selben Alter und arbeiteten schon seit Ewigkeiten zusammen, was zahllose Überstunden bei den Fällen einschloss, denen Godley seinen guten Ruf verdankte. Wir hatten die strenge Anweisung, in sämtlichen Mordfällen Dr. Hanshaw hinzuzuziehen. Vor einigen Jahren– er hatte sich gerade in Zypern aufgehalten– war er extra für einen von Godleys Mordfällen mit dem nächstbesten Flug zurückgekommen, wobei man fast den Eindruck hatte, dass er seinem Familienurlaub gar so nicht ungern den Rücken kehrte. Um keinen Preis hätte ich mit Mrs. Hanshaw tauschen wollen, nicht zuletzt deshalb, weil mir der kahlköpfige, hakennasige Rechtsmediziner immer ein bisschen unheimlich vorkam. Wenn man mit ihm sprach, hatte er die Angewohnheit, an einem vorbeizuschauen, so als wäre alles, was man sagte, so unglaublich vorhersehbar und belanglos, dass er im Geiste schon am Ende des Gesprächs angekommen war, lange, bevor man seine abschließende Frage hervorgestammelt hatte. Ich konnte es überhaupt nicht leiden, wenn mir jemand das Gefühl gab, geistig etwas beschränkt zu sein, aber Dr. Hanshaw schaffte das immer wieder. Vermutlich war Chief Superintendent Godley intellektuell gefestigter als ich.
Dr. Hanshaw war aufs Äußerste konzentriert und schaute auch nicht auf, als Rob und ich näher kamen– wobei wir uns strikt an die Anweisung von Kev Cox hielten, ausschließlich auf dem Trampelpfad zu laufen, den die Kollegen von der Spurensicherung im dürren Wintergras markiert hatten. Außerdem hatten sie eine Kunststoff-Plattform errichtet, auf der wir uns postieren
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