Der Brandstifter
WIEDER ZU . Und auf Seite drei: POLIZEI RATLOS . Ratlos traf es in etwa.
» Sam, gibt’s schon Infos über die DNA des letzten Opfers?«, erkundigte ich mich.
» Noch nicht«, antwortete er, ohne von seiner Zeitung aufzusehen.
» Denkst du, du könntest mal anrufen und nachfragen?«
Das brachte mir immerhin einen Blick über den Rand seiner Lesebrille ein. » Ungeduldig, oder was?«
» Ein bisschen«, gab ich zu. » Denn wenn wir erst mal wissen, wer sie war, können wir losgehen und uns ein Bild machen, wie sie gelebt hat. Hintergrund und so.«
» Klingt aufregend.«
» Finde ich auch«, antwortete ich freundlich und tat so, als hätte ich seine Ironie überhört. Sam Prosser brachte so schnell nichts aus der Ruhe, aber dafür hatte er einen heißen Draht zu den Mädels vom Labor– ihm konnten sie nicht widerstehen. Wenn ich selbst dort anrief, ließen sie mich fast immer hängen. Ich musste eben noch einiges lernen.
» Hallo, Schätzchen, wen habe ich denn da dran? Anneka? Hier ist Sam, Sam Prosser von der Soko MANDRAKE .« Sams Stimme war immer etwas rau, aber jetzt hatte er sie noch eine Stufe abgesenkt und hörte sich an wie eine East-London-Ausgabe von Barry White. Absolut unschlagbar. » Prima, danke. Allerdings viel zu tun heute. Na klar, und bei euch? Dacht ich mir schon.« Er kicherte leise vor sich hin. Ich konnte nahezu hören, wie Anneka am anderen Ende der Leitung schnurrte.
» Warum ich bei euch anrufe, meine Liebe, ist Folgendes: Gibt es denn schon was zur DNA von unserem letzten Opfer– der Leiche von Stadhampton Grove?– Im Ernst, gerade reingekommen? Ob du vielleicht so lieb sein könntest, mir schon mal zu sagen, wie sie hieß?«
Er kritzelte etwas auf den Rand seiner Zeitung. Ich beugte mich zu ihm hinüber und versuchte es zu entziffern.
» Ja… ja, verstehe… und was sagt unsere Datenbank dazu? Oh, tatsächlich? Von der Sorte war sie also? Na ja, ist jetzt nicht wirklich ’ne Überraschung.« Sam sah mich an und formte das Wort » Drogen« mit den Lippen. Ich nickte.
» Meine liebe Anneka, ich muss dir unbedingt mal einen ausgeben… ja, noch einen. Irgendwann gehen wir ganz groß zusammen aus, versprochen.« Wieder griente er vor sich hin. » Alles klar. Und nochmal vielen Dank, du bist echt ein Schatz.«
Sam legte den Hörer auf und sah mich an, während er sich geistesabwesend am Kopf kratzte. » Ich setze alles daran, ihr niemals zu begegnen. Die Realität wäre bestimmt eine Enttäuschung im Vergleich zu meiner Vorstellung von ihr.«
» Hast wohl Angst, dass sie keine blonde, vollbusige schwedische Schönheit ist?«
» Ich hab eher Angst, dass sie tatsächlich so ein Prachtweib ist. Wer weiß, vielleicht hat sie ja gar keine Lust, mit einem fetten, kahlköpfigen alten Sack in die nächste Kneipe zu ziehen und sich einen anzusäuseln.«
» Was hast du denn nun in Erfahrung gebracht?«
» Ah, fast vergessen… Wir haben einen Namen und eine Adresse. Vor sechs Monaten wurde sie mit Drogen erwischt– offenbar hat sie als Beifahrerin in einem Auto gesessen, das im West End in eine Verkehrskontrolle geraten ist. Sie hatte ein halbes Gramm Kokain bei sich, Eigenbedarf. Das hat ihr eine Geldstrafe eingebracht, und ihre DNA wurde in die Datenbank aufgenommen. Glück für uns.« Er blinzelte und versuchte seine Handschrift zu deuten. » Rebecca Haworth.«
» Hayworth? Wie Rita?«
» H-a-w-o-r-t-h. Sie wohnt Nähe Tower Bridge. In einem von diesen neuen Kästen mit Wohnungen so groß wie ’n Karnickelstall.« Er stand auf und zog sich die Hose auf die übliche Halbmastposition unter seiner beachtlichen Wampe. » Kann sein, dass die Adresse schon gar nicht mehr aktuell ist. Sollen wir mal hinfahren?«
» Ja, klar doch.« Ich sprang auf und schnappte mir meine Tasche. Von Müdigkeit konnte keine Rede mehr sein. » Ich fahre.«
» Du fährst und gibst mir ein Bier aus, wenn wir fertig sind.«
Ich verdrehte die Augen.
» Nichts für ungut. Mir ging es bis eben richtig gut hier an meinem Schreibtisch, ohne durch die Gegend rennen zu müssen. Also immer schön sachte mit Onkel Sammy, ja? Nicht kaputtspielen. Also ehrlich, ich bin ja nun wirklich kein junger Hüpfer mehr. Ich muss mit meinen Kräften haushalten.«
Da mir klar war, dass er ohne Weiteres in der Lage sein würde, das bis zur Tower Bridge so durchzuziehen, seufzte ich tief und folgte ihm durch die Tür der Einsatzzentrale. Ich hoffte nur, dass wir nicht schon wieder in einer Sackgasse endeten.
Die Adresse, die
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