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Der Brandstifter

Der Brandstifter

Titel: Der Brandstifter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Casey
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durstig, und mir fiel ein, dass ich auch noch gar nicht gefrühstückt hatte. Mit meinen Taschen war gar nicht daran zu denken, mit der U-Bahn zurückzufahren. Ein freies Taxi kam mir entgegen, und ohne nachzudenken hob ich die Hand, um es heranzuwinken. Der Fahrer hielt einige Meter von mir entfernt an der Bordsteinkante an, und ich rannte darauf zu, blieb aber wie angewurzelt stehen und schnappte nach Luft, als eine andere Frau noch vor mir dort war. Lange blonde Haare, nachlässig hochgesteckt, schlanke Beine in schwarzen Strümpfen, Stiefeletten mit hohen Absätzen, in ihren Bewegungen eine bestechend lässige Eleganz, schmale Hände, ein roter Mantel, eine beim Lachen hübsch geschwungene Wangenlinie, ein hübsches kleines Ohr geschmückt mit einer Diamant-Creole– es war Rebecca, die schneller am Taxi gewesen war als ich, es war Rebecca, die sich nach vorn beugte, um mit dem Fahrer zu reden, es war Rebecca, die hinten in das Taxi einstieg, sich zurücklehnte und darauf wartete, dahin gefahren zu werden, wo sie hinwollte. Es war Rebecca– aber dann war sie es doch nicht. Durch das Taxifenster sah mich eine Fremde an, eine Frau, die viel schlichter wirkte als meine Freundin, mit einer Lücke zwischen den Schneidezähnen und viel zu stark gezupften Augenbrauen. Ihre Gesichtsform stimmte nicht, ihr Haar war zu messingfarben, ihr Mantel wirkte billig und grell mit den Goldknöpfen daran. Die Ähnlichkeit war allenfalls flüchtig, und nachdem ich sie etwas länger betrachtet hatte, konnte ich Rebecca überhaupt nicht mehr in ihr erkennen, aber trotzdem starrte ich ihr nach, als das Taxi davonfuhr. Sie muss geglaubt haben, dass ich wütend auf sie war, weil sie mir das Taxi vor der Nase weggeschnappt hatte. Doch das war mir egal, ziemlich zumindest. Das nächste musste jeden Augenblick kommen, und so war es auch. Diesmal war ich die Erste, und niemand anders kam mir zuvor. Ich stieg hinten ein und beobachtete die Passanten, die sich auf dem Gehsteig drängelten. Unwillkürlich hielt ich nach blonden Haaren Ausschau, nach einer schnellen Kopfbewegung, nach einem aufblitzenden Lächeln.
    Ich suchte nach etwas, das für immer verloren war.
    Ich kehrte zurück in mein kleines, kaltes Haus und aß gleich neben dem Kühlschrank, noch im Stehen: eine überreife Birne, deren Saft mir auf die Handgelenke tropfte, eine Scheibe Schinken, einen Joghurt mit Feigen. Ein etwas unkonventionelles Mittagessen, aber zum Kochen war ich viel zu hungrig und um essen zu gehen zu ungeduldig. Von der körperlichen Anstrengung des Einkaufens taten mir die Muskeln weh, und plötzlich musste ich darüber lachen, wie müde und erschöpft ich nach einem einzigen exzessiv verbrachten Vormittag war. Ich hängte meine neuen Sachen auf Kleiderbügel und schnitt die Etiketten ab, die verrieten, wie viel ich dafür bezahlt hatte. Dann ließ ich mir ein Bad ein, in dem ich lächerlich lange liegen blieb– wobei ich ab und zu heißes Wasser nachfüllte, wenn es zu kalt zu werden drohte–, die Gedanken schweifen ließ, meine Hände hochhielt und sie anschaute, als hätte ich sie noch nie zuvor gesehen.
    Als ich schließlich aufgab und doch aus der Wanne stieg, zog ich mir einen einfachen schwarzen Pullover über, dazu graue, enge Jeans, und band mir die Haare zurück. In der Küche reihte ich meinen Bestand an Putzmitteln auf. Ich wollte das gesamte Haus sauber machen, angefangen beim Badezimmer, hatte ich beschlossen, und begab mich mit einem Arm voller Reiniger und Bleichmittel in den Flur. Hausarbeit war die beste Therapie, entspannend und außerdem unverzichtbar, sagte ich zu mir selbst, während ich leicht angeekelt ein altes Spinnennetz von der Treppe zupfte. Im Flur lief ich am Telefon vorbei, überlegte es mir aber plötzlich anders und ging noch einmal zurück, um nachzusehen, ob jemand etwas auf den Anrufbeantworter gesprochen hatte. Zu meiner Überraschung stellte ich fest, dass ich tatsächlich eine Nachricht hatte. Für den Fall, dass es etwas Wichtiges zu notieren gab, nahm ich einen Stift in die Hand. Einen kurzen Moment war nichts zu hören. Die Stimme, die dann in mein Ohr sprach, war leise, triefte vor Ironie, und ich erkannte sie sofort. Augenblicklich ließ ich alles zu Boden fallen, was ich im Arm trug, damit ich den Hörer mit beiden Händen umklammern konnte. Mein Herz hämmerte. Ich hatte nicht geahnt, dass er meine private Telefonnummer hatte. Ich hatte nicht gedacht, dass er mich hier finden würde. Rebecca hatte mir viel

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