Der Brandstifter
meine…«
» Schon gut«, sagte ich schnell. » Erzählen Sie weiter. Sie hat ihre Arbeit gern gemacht und wollte auf keinen Fall hier weg, aber irgendwie war alles ein bisschen außer Kontrolle geraten. Das muss doch aber nicht gleich heißen, dass sie drogenabhängig war. Vielleicht war sie einfach gestresst. Oder depressiv.«
» Oh, sie war auf jeden Fall gestresst, aber das lag daran, dass sie völlig pleite war«, sagte Jess mit einer knappen Handbewegung. » Sie war total abgebrannt, das hat sie mir selbst gesagt. Und es waren definitiv Drogen. Einmal bin ich kurz vor Feierabend noch rüber in ihr Büro, weil ich sehen wollte, ob bei ihr alles in Ordnung war, und da hatte sie einen Spiegel auf dem Tisch liegen mit so weißem Pulver drauf. Und ich hab nur gedacht, aber hallo, wenn das mal kein Koks ist, hab dann aber nichts dazu gesagt und sie auch nicht. Sie hat nur einen Ordner auf den Spiegel gelegt und so getan, als würde sie drin lesen. Vor mir hätte sie das nicht verstecken müssen. Mich hat’s ja nicht gestört.« Offenbar bemerkte sie meinen Blick. » O nein, ich selbst hätte es nie probiert. Ich weiß doch, dass das verboten ist. Es ist nur– ich meine, so eine riesige Überraschung war es nun auch wieder nicht. Das ist alles. Ich hatte es eigentlich schon vermutet.«
» Glauben Sie, dass Mr. Ventnor das mit den Drogen mitbekommen hat?«
Sie zuckte die Schultern. » Kann gut sein. Aber ich denke, dass es ihm eher um den Ruf seiner Firma ging. Unser guter Ruf ist nämlich das Allerwichtigste. Das hat auch Rebecca immer gesagt– also, vorher zumindest. Sie war unzuverlässig geworden, und das ist den Kunden natürlich aufgefallen, und dann hieß es halt, warum soll sie bleiben, wenn sie ihre Arbeit nicht richtig machen kann, verstehen Sie? Also wird sie lieber entlassen und jemand anders eingestellt, obwohl sie schon klasse war in ihrem Job, und wenn Sie mich fragen, werden die hier niemals einen echten Ersatz für sie finden. Gut, sie haben ihre Kunden auf die anderen verteilt und eine Neue auf ihre Stelle gesetzt, aber die kann nicht annähernd mit Rebecca mithalten.«
» Ist es eigentlich Ihr Ziel, so zu sein wie Rebecca?«
» Also, jetzt natürlich nicht mehr. Aber vorher– ja klar. Warum nicht?«
Weil ihr Drang nach Perfektion sie aufgefressen und fertiggemacht hat. Weil sie ihren Job verloren hat, als die Drogensucht anfing, ihr Leben zu dominieren. Weil ihr Kühlschrank so gut wie leer war und ihr Leben ein einziges Chaos. Und dann war sie obendrein einen so grausamen Tod gestorben. Doch ich begnügte mich letztendlich mit: » Ich könnte mir bessere Vorbilder vorstellen.«
» Ach, ich nicht. Sie war grandios, eine tolle Chefin. Und wie schon gesagt, sie hat hervorragende Arbeit geleistet.«
» Hat es ihr leidgetan zu gehen?«
» Sie war total am Boden.«
» Verbittert?«
» Nein, ganz und gar nicht. Das hätte nicht zu ihr gepasst. Vielleicht ein ganz kleines bisschen, als sie an dem Wochenende, nachdem sie gefeuert worden war, mit einer Freundin ins Büro kam, um ihren Schreibtisch leerzuräumen. Ich hatte ihr angeboten zu helfen, aber das wollte sie nicht. Sie würden sich gut amüsieren, hat sie gesagt. Sogar Essen vom Chinesen haben sie sich geholt– Rebecca hat sich dann bei mir auf einem Zettel für die Unordnung entschuldigt, weil die Kartons noch im Büro standen, als ich am Montag zur Arbeit kam. Und bezahlt hat sie mit ihrer Firmenkreditkarte. Mr. Ventnor schuldete ihr sowieso noch ein ordentliches Essen, meinte sie.«
» Wer war denn diese Freundin?«, fragte ich. » Hat sie das gesagt?«
» Ich überlege schon die ganze Zeit.« Sie kaute auf der Unterlippe und starrte an die Decke, als wartete sie auf eine Eingebung von oben. » Vergessen. Aber ich hatte sie noch nie gesehen.«
» Wissen Sie, ob sie eine Beziehung hatte? Also, ob es einen besonderen Menschen in ihrem Leben gab?«
» Ach du lieber Gott, sie hatte sooo viele Männer. Ständig kriegte sie Blumen ins Büro geschickt, und andauernd rief einer von ihnen an und wollte sie sprechen. Wahrscheinlich hätte sie jeden Tag eine andere Verabredung haben können, aber für die meisten davon interessierte sie sich gar nicht. Manchmal traf sie sich trotzdem mit dem einen oder anderen, aber eigentlich nur, um mal rauszukommen. Sie sagte, dass man sich auf diese Weise ganz prima durch die verschiedenen Bars und Restaurants probieren kann. Und sie hatte auch immer schon den Fluchtweg geplant. Der funktionierte so:
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