Der Brandstifter
ist von Smythson, mit einem Ledereinband in Pink. Knallpink. Sieht aus wie ein Barbie-Tagebuch.«
Das hätte mir ja nun wirklich auffallen müssen. Ich kritzelte mir eine Erinnerung in mein eigenes Notizbuch, damit ich mich später darum kümmerte. Als ich aufsah, standen Jess’ Augen schon wieder unter Wasser.
» Tut mir leid. Es ist nur– das weckt so viele Erinnerungen. Ich kann einfach nicht glauben, dass ich sie nie wiedersehen werde.«
Mein Mitgefühl hatte ich schon bekundet, und die Zeit lief. Ich räusperte mich. » Besteht die Möglichkeit, dass Sie die Liste jetzt gleich zusammenbekommen? Ich warte gern.«
» Ja, klar. Ich habe auch Aufnahmen von ihrem Anrufbeantworter, als sie schon weg war– falls Sie die auch wollen. Mr. Ventnor wollte, dass ich die sammle, damit uns keiner von ihren Kunden durch die Lappen geht. Sie wird nämlich immer noch angerufen, müssen Sie wissen.«
» Das wäre wunderbar.«
Sie stand schniefend auf und ging zur Tür. Mit der Hand auf der Klinke blieb sie plötzlich stehen. » Ich hoffe doch, Sie haben jetzt keine schlechte Meinung von Rebecca nach dem, was ich Ihnen über sie erzählt hab. Sie war ein faszinierender Mensch. Und was ihr passiert ist, hat sie wirklich nicht verdient.«
» Genau darum geht es ja bei meinem Job«, erwiderte ich behutsam. » Ganz egal, um wen es geht oder was jemand getan hat, verdient hat so was nie jemand.«
» Niemals?«
Ich schüttelte den Kopf.
» Okay. Dauert maximal fünf Minuten.« Sie verschwand, um einen Moment später den Kopf noch einmal zur Tür hereinzustecken. » Sagen wir lieber zehn. Es waren schon etliche.«
Als ich Ventnor Chase endlich entflohen war, atmete ich tief die kalte, mit Abgasen angefüllte Luft ein. Trotz des Gestanks schmeckte sie nach Freiheit. Ich hatte noch ein bisschen Zeit, bis ich mit dem Auto abgeholt wurde, fand es aber tausendmal besser, die Wartezeit auf der Straße zuzubringen, statt in diesem seelenlosen Empfangsraum, wo hinter der Rezeption ein Flachbildfernseher flimmerte, der mich via Sky News alle fünfzehn Minuten ungefragt über den neuesten Stand der bisher vergeblichen Jagd nach Londons derzeitigem Serienkiller informierte. Während ich auf die Informationen von Jess gewartet hatte, hatte ich mir diese Büroräume endgültig übergesehen. Die dezente Gediegenheit der Teppiche und Sitzmöbel in edlen Pastelltönen ging mir furchtbar auf die Nerven. Alles war zu perfekt, zu makellos. Zu schön, um wahr zu sein, genau wie Rebecca. Je mehr ich über sie erfuhr, desto mehr hatte ich das Gefühl, dass in Rebeccas Leben die Katastrophe vorprogrammiert war.
Ich lehnte mich an ein Geländer, ging meine Notizen noch einmal durch und stieß dabei auf die Visitenkarte von Louise North.
Ich rief ihre Festnetznummer an, wo ich jedoch nur den Anrufbeantworter erreichte. Als Nächstes probierte ich ihre Handynummer, die sie sorgfältig mit schwarzer Tinte auf der Rückseite notiert hatte, so klar und exakt, wie sie selbst wirkte. Beim zweiten Klingelton nahm sie ab und schien nicht im Geringsten überrascht, als hätte sie meinen Anruf erwartet.
» Und, was haben Sie herausgefunden?«
Unweigerlich sträubte sich mir das Gefieder, schließlich rief ich nicht an, um ihr Bericht darüber zu erstatten, was ich seit unserem letzten Gespräch erreicht hatte (oder auch nicht). Ich machte mir noch einmal bewusst, dass ich mich in keiner Weise vor Louise North rechtfertigen musste, und fand den entschuldigenden Ton in meiner Stimme umso ärgerlicher.
» Wir gehen immer noch mehreren Hinweisen nach. Bisher nichts Entscheidendes, aber wir kommen voran.«
» Das ist ja enttäuschend. Wie kann ich Ihnen denn helfen?«
» Wussten Sie, dass Ihre Freundin ein Drogenproblem hatte?«
Schweigen am anderen Ende der Leitung. Ich wartete, während ich im Kopf die Sekunden zählte. Drei… vier… fünf… Nur recht wenige Menschen ertragen es länger als ein paar Sekunden, wenn sich am Telefon Schweigen breitmacht, aber sie schaffte volle sieben Sekunden, bevor sie wieder etwas sagte.
» Ich hatte schon so eine Ahnung, ja. Hat das etwas mit ihrem Tod zu tun?«
» Das müssen wir abwarten«, sagte ich und hatte doch selbst keinen blassen Schimmer. » Äh, woraus haben Sie das denn geschlossen, wenn ich fragen darf?«
» Aus diesem und jenem.«
Erneutes Schweigen. Ich verzog das Gesicht. Mit ihr zu telefonieren war wirklich anstrengend. Ich hätte lieber bei ihr vorbeigehen sollen. Wenn sie mir gegenübersaß,
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