Der Brandstifter
gutgetan, und sie hatte seit Rebeccas Tod nichts von ihrer Attraktivität eingebüßt, wenngleich der Glanz in ihren Augen ein wenig abgestumpft war.
Ihr Mann löste schließlich ihre Hand sanft aus meiner und geleitete mich diskret ein Stück beiseite. Er war eine imposante Erscheinung– großgewachsen, mit tadellos sitzendem Anzug und tiefschwarzer Krawatte.
» Sie möchten bestimmt noch einmal mit uns reden, und ich wollte mich auch nach den Ermittlungen erkundigen. Aber im Moment ist es nicht so günstig. Wir haben Gäste… Verpflichtungen…« Er deutete auf die Umstehenden.
» Ja, das verstehe ich vollkommen, ich möchte auch keinesfalls stören«, erwiderte ich. Es war mir unangenehm, dass ich in ihr Privatleben eingedrungen war. » Ich kann auch gern ein andermal wiederkommen, wenn Ihnen das lieber ist.«
» Nein, das ist nicht nötig. Sie können später gern mit uns sprechen, wenn die Gäste gegangen sind. Sie werden sicher nicht sehr lange bleiben. Es war Avrils Wunsch, dass wir Rebeccas Freunde noch zu uns einladen, weil viele von ihnen extra zum Gottesdienst aus London angereist sind. Und unsere Freunde sind natürlich auch da. Wir haben einen ganz schlichten Imbiss vorbereitet, nur Sandwiches mit Tee oder Kaffee. Bei diesem Wetter dachten wir, dass die Leute sich bestimmt gern ein bisschen aufwärmen wollen.« Er sah sich um und betrachtete die Anwesenden mit seinen dunklen Augen, die mir schon auf dem Foto aufgefallen waren und denen vermutlich nichts entging. » Wir haben uns entschieden, keinen Alkohol zu servieren. Schließlich ist es ja keine Party. Und außerdem müssen die meisten Gäste noch Auto fahren.«
Ich nickte und registrierte den festen Klang seiner Stimme. Rebeccas Vater zeigte keinerlei Schwäche, so schmerzerfüllt er auch war.
Ich überließ Gerald Haworth seinen Gästen, nahm mir bei einem Kellner mit Fliege um den Hals ein Glas Wasser und verließ das Festzelt. Ich suchte mir einen Platz etwas abseits der Gästeschar und versuchte, nicht weiter aufzufallen. Es waren wohl um die 60 Leute, zumeist in gedeckten Farben gekleidet und in gedämpfte Gespräche vertieft. Der Geräuschpegel war deutlich niedriger als sonst bei einer so großen Gruppe üblich, aber wie Gerald Haworth gesagt hatte, war es ja auch keine Party. Ich erspähte Anton Ventnor in der Mitte des Zeltes, umringt von seinen Mitarbeitern. Nach den Beschreibungen seiner Angestellten hatte ich ihn mir eigentlich als imposanten, kraftvollen Mann vorgestellt und musste nun über diese Annahme schmunzeln. Er war die meiste Zeit damit beschäftigt umherzuschauen und hatte die seltsame Angewohnheit, sich beim Sprechen– was er selten genug tat– das Glas vor den Mund zu halten. So etwas kannte ich eigentlich nur von notorischen Lügnern, weshalb mein Interesse schlagartig wuchs. Ich hatte zwar bislang noch keine Gelegenheit gehabt, mit ihm zu sprechen, aber er stand auf jeden Fall nach wie vor auf meiner Liste. Die Mitarbeiterinnen von Ventnor Chase waren für meinen Geschmack einen Tick zu gestylt, gemessen am Anlass, und staksten teuer geschminkt und mit den neuesten Designerhandtaschen am Arm auf edlen Absätzen umher. Das war Rebeccas Universum, für diesen Lebensstil hatte sie sich entschieden. Es war unübersehbar, dass ihnen Statussymbole über alles gingen, und ich fragte mich, ob sich jemand von ihnen je die Mühe gemacht hatte, sich nach ihrem Rausschmiss bei ihr zu melden– oder ob sie das überhaupt gewollt hätte. Rebecca war es gewohnt, ihre Aufgaben mühelos und erfolgreich zu erledigen, und ich versuchte mir vorzustellen, wie sie mit der Schmach ihrer Entlassung umgegangen war.
Die älteren Gäste waren vermutlich Nachbarn und Freunde der Familie Haworth, aber ich sah auch viele jüngere Leute, wie zum Beispiel Tilly Shaw, die überall und nirgends war, andere herzlich umarmte, Häppchenteller herumreichte und Stühle von einem Ende des Festzeltes zum anderen trug, damit die weniger vitalen Gäste sich setzen konnten. Sie hatte ihr Haar glätten und sich vorn eine schwarze Strähne färben lassen, was gut zu ihrem kurzen engen Kleid passte. Das war zwar nicht unbedingt die klassische Trauerkleidung, aber Tilly war auch alles andere als konventionell. Ich hielt Ausschau nach ihrem Gegenpart und entdeckte ihn nach wenigen Augenblicken: Louise North, die ich schon in der Kirche gesehen hatte– sie mich jedoch vermutlich nicht. Mit gesenktem Kopf hatte sie in der Bank hinter dem Ehepaar Haworth gesessen
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