Der Brandstifter
konnte sie jedenfalls nicht mehr bei uns beschäftigen, nachdem sie sich derart erniedrigt hatte.«
Er stand auf und steckte sein Taschentuch wieder ein. » Wenn das alles ist, was Sie von mir wissen wollen, würde ich mich jetzt gern verabschieden. Ich wollte noch vor Feierabend wieder in London sein. Falls Sie noch weitere Fragen an mich haben, können Sie sich gern an meine Assistentin wenden.«
» Schön«, entgegnete ich missmutig. » Vielen Dank.«
Er kehrte mir den Rücken und entfernte sich, blieb dann jedoch stehen und drehte sich noch einmal zu mir um. » Wissen Sie, Rebecca war eine gute Mitarbeiterin. Sie hätte ihren Job auch behalten, wenn sie mich nicht angefleht hätte, mein Entscheidung zu überdenken. Flehen Sie niemals um etwas, DC Kerrigan, egal, wie groß die Versuchung auch sein mag.«
Ich konnte meine Abneigung gegen ihn förmlich schmecken. » Ich werde versuchen, es mir zu merken.«
Er nickte und stolzierte dann davon, wobei er sich bemühte, größer zu wirken, als er war, was ihm jedoch nicht gelang. Anton Ventnor, ein Widerling par excellence. Für mich wäre es das blanke Grauen, in einer Firma unter seiner Leitung zu arbeiten, und an Rebeccas Stelle wäre ich heilfroh gewesen, von ihm wegzukommen. Aber ich war ja nicht Rebecca; ich wusste noch nicht einmal, was sie tatsächlich war. Die perfekt organisierte Karrierefrau. Das Partygirl, das man nie heiraten würde. Die treue, etwas chaotische Freundin. Die verzweifelte Angestellte. Ich war mir sicher, dass ihre Eltern sie wiederum ganz anders beschreiben würden, wenn ich mit ihnen über sie sprach. Sie war immer genauso gewesen, wie andere sie haben wollten– bis zu dem Punkt, als jemand sie tot sehen wollte.
Ich brachte es nicht fertig, sofort zurück zum Festzelt zu gehen, und ließ Ventnor einen gehörigen Vorsprung, damit ich ihm nicht noch einmal begegnen musste. Stattdessen ging ich erst einmal in die entgegengesetzte Richtung, am Ufer des Bächleins entlang, wo ich fast auf dem Gras ausrutschte, das an manchen Stellen noch gefroren war. Ich gelangte an eine Ziegelmauer, die einen akkurat angelegten Garten umschloss. Das eiserne Gartentor stand offen. Es war ein Rosengarten, wie ich feststellte, und er wirkte um diese Jahreszeit, wenn weder Blüten noch Blätter das Grau belebten, besonders trostlos. Die kahlen, stacheligen Zweige erinnerten an eine altertümlich illustrierte Ausgabe von Dornröschen. Der Garten war in vier Beete unterteilt, zwischen denen gepflasterte Wege zur Mitte hin verliefen, wo sich eine Sonnenuhr befand. Diese bestand aus mehreren kugelförmig angeordneten Ringen, die von einem Pfeil durchbohrt wurden. Sie war hübsch anzusehen, im Winter allerdings nutzlos, da das Licht nicht intensiv genug war, um brauchbare Schatten zu werfen. Wobei ich zugeben musste, dass ich auch unter günstigeren Bedingungen nicht gerade Expertin für das Ablesen von Sonnenuhren war. Ich ging den Weg entlang bis zur Mitte, um sie mir genauer anzusehen. Die Sonnenuhr stand auf einem steinernen Sockel, in dessen Fuß mit schmalen Buchstaben eine Inschrift eingemeißelt war. Ich neigte den Kopf zur Seite, um sie zu entziffern:
– Schlage die Zeit nicht tot–
» Auf dieser Seite steht noch mehr.«
Ich hatte niemanden im Garten bemerkt, doch als ich mich aufrichtete, stand mir Louise North gegenüber, die Hände in den Manteltaschen vergraben. Sie trug einen weichen grauen Schal, den sie sich bis zu den Ohren mehrfach um den Hals gewickelt hatte. Ihre Nase und die Augen waren gerötet, was vielleicht von der Kälte oder auch ihrer Trauer herrührte. Außerdem hatten sich ein paar Haarsträhnen gelöst, die ihr ins Gesicht fielen und sie weicher, jünger und menschlicher und auch wesentlich sympathischer wirken ließen.
» Aha, mal sehen…« Ich ging um die Sonnenuhr herum auf ihre Seite und las:
– Gewiss wird sie den Tod dir bringen.–
» Oh, wie frohsinnig.«
» Avril und Gerald hätten sich einen Tag wie diesen sicher nicht träumen lassen, als sie das in Auftrag gaben. Avril liebt solche Sachen. Haben Sie das Haus schon von innen gesehen?«
Ich schüttelte den Kopf. » Ich werde nachher noch mit den beiden sprechen.«
» Sie werden schon sehen, was ich meine. Ich will es mal so sagen: Sie lässt sich keine Gelegenheit entgehen, eine kleine Weisheit anzubringen.«
Ich sah wieder auf die Sonnenuhr und fuhr mit dem Finger über einen der Ringe. » Wissen Sie, wie sie funktioniert?«
» Das ist eine sogenannte
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