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Der Brennende Salamander

Der Brennende Salamander

Titel: Der Brennende Salamander Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingeborg Bayer
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ich auf der anderen Seite gesehen hatte und nun auf der diesseitigen sehen wollte. Ich besuchte Kirchen, ohne ihre Namen zu kennen, ließ mich von Frittura Verkäufern überreden, ihre Ware zu kaufen, und sah auf einem großen Platz, dessen Namen ich nicht kannte, einer Männergruppe zu, die sich zu einer waghalsigen Pyramide aufstellte. Auf einem anderen Platz waren fahrende Sänger dabei, ein Theaterstück aufzuführen, zwischen den beiden Säulen der Piazzetta baumelten zwei Gehenkte mit dem Kopf nach unten und auf dem Canal Grande hinterließ das prächtigste Schiff, das ich je gesehen hatte, der Bucintoro des Dogen, seine Spur.
    Erst als die Dämmerung hereinbrach, kehrte ich langsam um, brachte Gasse um Gasse wieder hinter mich, diesmal bereits halbwegs sicher, als folgte ich dem Faden der Ariadne.
    Und während ich das Tor zum Garten öffnete, war ich mir plötzlich ganz sicher, daß diese Wasserspritzer nicht nur völlig unbedeutende Wasserspritzer gewesen waren – es mußte alles so gewesen sein, wie ich es auf der Wand und dann auf meinem Skizzenblock festgehalten hatte.
    Die Nächte waren anders als in Florenz.
    Wenn ich sage erregender, so drückt dies nur wenig von meinen Gefühlen aus. Und doch war es so. Alles was hier geschah, schien mir wie unter einem durchsichtigen Moskitovorhang zu geschehen, real und zugleich doch auch irreal. Da gab es zum Beispiel diese seltsamen Geräusche bei Nacht, die ich nicht zuordnen konnte; wennich auf dem Balkon stand, schienen sie am deutlichsten zu sein. Dann gab es Gerüche, die auch nur bei Nacht auftraten. Manchmal hatte ich den Eindruck, daß es sich um Pferdemist handeln könne, aber die Pferde waren auf einer völlig anderen Seite des Palazzo untergebracht, so daß kaum ein Geruch auf die Seite dringen konnte, die dem Kanal zugewandt war. Außerdem gab es ganz offenbar Besucher, die nicht den normalen Eingang des Hauses benutzten, sondern einen anderen, mir unbekannten. Einmal beobachtete ich in der Dämmerung einen Mann in einem kleinen Boot, das an der Kanalseite anlegen wollte. Aber sobald er einen großen Korb, der sorgfältig zugedeckt war, herausgehoben hatte, wurde er von einem Diener umgelenkt, so daß ich nur annehmen konnte, das Boot lege nun in dem kleinen Seitenkanal an und der Besucher komme über den androne , den Hauptflur, in das Haus. Aber bei allem, was ich sah und hörte, aber nicht erklären konnte, verbot ich mir, danach zu fragen. Ich war Gast in diesem Haus und hatte zu malen, nichts sonst.
    In der vierten Nacht überwog die Neugier.
    Wieder hatte ich Geräusche vernommen, wieder glaubte ich das Zischen von Wasser zu hören, Stimmen drangen zu mir herauf auf den winzigen Balkon, gedämpft, aber erregt. Und nun hatte ich zum erstenmal das Gefühl, daß ich diese Geräusche nicht länger ignorieren durfte, sie schienen mir Gefahr zu bedeuten, zumal nach dem Zischen nun plötzlich Rauch aufzog, der ganz langsam zu meinem Balkon heraufwaberte. Rötlicher Rauch. Ich versuchte herauszubekommen, nach was dieser Rauch roch, aber es gelang mir nicht. Zum einen schien es ein völlig normaler Holzkohlenrauch zu sein, zum anderen war er mit einem sehr exotischen Geruch vermengt, den ich nicht kannte.
    Ich blieb eine Weile auf meinem Balkon stehen und hörte dann, wie tief unter mir ein Fenster geöffnet wurde. Jemand hustete. Dann hörte ich Ghitas besorgte Stimme, die irgendwas sagte, was ich nicht verstand, da sie es auf venezianisch sagte. Ich warf mir einen Umhang über die Schultern, ergriff meinen Kerzenleuchter und schlich die Treppe hinunter, die schwach mit einer Fackel erhellt war.
    Ich kam in den androne , in demeine halbverfallene Gondel in der Ecke lag, und blieb stehen, um die Richtung, aus der das Geräusch kam, genauer zu lokalisieren: Es war ganz eindeutig, daß es aus einem der Seitengänge kommen mußte, die ebenfalls notdürftig durch eine Fackel erhellt wurden.
    Ich ging weiter, dann hörte ich plötzlich wieder die Stimmen: Nardos Stimme und die seiner Mutter. Ich zögerte und hatte bereits beschlossen, umzukehren, als vor mir eine Tür aufging und ich glaubte, meinen Namen zu hören.
    Ich blieb stehen, dicker Rauch quoll zu mir heraus und brachte mich zum Husten. Dann tauchte wie in einem Spukschloß eine Hand aus diesem Rauch auf und jemand zog mich mit einem raschen Griff in den Raum.
    Schaut Euch um, falls es Euch gelingt! sagte Nardo, den ich nicht sah, mit keinesfalls erregter, eher belustigter Stimme. Dann könnt Ihr

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