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Der Brennende Salamander

Der Brennende Salamander

Titel: Der Brennende Salamander Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingeborg Bayer
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an seine Figur, steckte heimlich etwas Gipsstaub in seine Tasche und erweckte dann den Eindruck, als schabe er mit seinem, Meißel an der beanstandeten Nase herum, während er den Staub herabrieseln ließ. Dann fragte er höflich, ob die Nase nun besser aussehe. Genauso habe er sich das vorgestellt, sagte der Nörgler mit erhobener Stimme, genauso sei es richtig und nicht anders. Sie mache keine solchen Winkelzüge, hatte Ghita gesagt, sie respektiere den Künstler.
    Also entwarf ich zunächst einmal Skizzen von Bacchus.
    Aber mir war von der ersten Sekunde an klar, daß ich mich schwer in diese Figur hineinversetzen konnte, da ich noch nie ein bacchantischer Mensch gewesen war und auch nie einer sein würde. Mich hatte man stets zum Trinken in der Runde zwingen müssen, und ich entsinne mich an keinerlei Besäufnis, bei dem ich nach Hause geschleppt werden mußte, ausgenommen jenes nach meinem Besuch in der Via nuova degli Spardai.
    Ein Blatt um das andere füllte sich, ich zeichnete einen ganzen Skizzenblock voll mit Bacchusfiguren in allen möglichen Stellungen, und ich tat mir dabei keinen Zwang an.
    Irgendwann, es mußte schon fast Mitternacht gewesen sein, legte ich den Rötelstift zur Seite und entschloß mich auszugehen. Eine Stadt bei Nacht hatte mich stets interessiert, auch wenn es in Florenz nicht immer angebracht schien, zur späten Stunde spazierenzugehen. Hier sei es gefahrlos, hatte Nardo gesagt: Keine Kutsche, kein Wagen, in den man rasch mit seiner Diebesbeute springen könnte. Wir haben nur den Kanal, unsere Lebensader, auf dem geboren, gelebt, geliebt, geheiratet und gestorben wird. Und jeder, der flieht, kann nur über das Wasser entfliehen, und das ist ziemlich mühsam.
    Also ging ich durch die engen Gassen, Katzen strichen um meine Beine, eine Fledermaus huschte über mich hinweg, in der Ferne bellte ein Hund. Ich kam an einer Kirche vorbei, von deren Mauern der Putz halb abgeblättert war, die mich aber nahezu magisch anzog. Ich öffnete einekleine Seitentür, entzündete eineder Opferkerzen, die in einer Schale lagen, warf meinen Obolus in ein kleines Kästchen und setzte mich dann in einen der hohen Chorstühle. An der Wand sah ich schemenhaft ein großes Marienbild, der Körper schon halb gelöscht, das Gesicht streng, starr, fast unfreundlich. Der Maler konnte seine Figur nicht sonderlich geliebt haben. Rechts unten war noch ein Stück Landschaft zu erkennen, ein Baumstrunk, ein paar Schafe mit nur noch rudimentären Köpfen: Das Bild wirkte, als sei es vom Hochwasser zerfressen. Im Schein der Kerze zuckte mein Schatten in Übergröße an den Wänden entlang, als sei er lebendig. Ich fragte mich, welche Bilder hier wohl ursprünglich gewesen sein mochten, und verließ fröstelnd die Kirche.
    Ich ging zum Canal Grande und schaute auf das träg fließende Wasser, auf dem sich kaum noch ein Boot bewegte. Noch immer herrschte Niedrigwasser, und in einem der nahezu trockenen Seitenkanäle glaubte ich, beim Mondlicht Ratten zu sehen.
    Als ich in den Morgenstunden zurückkehrte, schien mir dieses Haus wie in der Nacht zuvor kein schlafendes Haus zu sein. Wieder waren Geräusche zu hören, diesmal andere. Da es unwahrscheinlich war, daß es sich um Diebe handelte, schlich ich leise in meine Kammer hinauf und legte mich in mein Bett.
    Am anderen Morgen erwachte ich mit dem Gefühl, verschlafen zu haben. Ich sprang auf, erledigte in aller Hetze meine Morgenwäsche, dann ging ich ohne ein Morgenessen in die ehemalige Kapelle.
    Wieder war da dieses Gefühl, das ich nicht nur einmal in meinem Leben hatte: Es blieb am Abend stets ein Rest von Angst, am Morgen könne alles verschwunden sein, was ich am Tag zuvor geschaffen hatte. Ich weiß selbstverständlich, daß dieses Gefühl ein völlig unsinniges Gefühl ist, völlig an der Realität vorbei, wie Rocco immer sagte: Natürlich gab es die Leinwand noch, die Tafel oder die Wand, die man am Abend zuvor bemalt hatte. Aber nach jenem Erlebnis mit dem Erdbeben in der Villa des Messer Orelli waren diese Ängste verstärkt aufgetreten, und meine zerstörte Madonna, die ihre Arme hilfesuchend nach ihrem verlorenen Jesuskind in die Luft streckte, war mir für immer im Gedächtnis geblieben.
    Doch natürlich war hier in dieser Kapelle, die keine mehr war, alles so, wie ich es zurückgelassen hatte, zumindest schien es mir nach meiner ersten flüchtigen Überprüfung der Fall zu sein. Erst beim zweiten Umherschauen entdeckte ich die Rose. Sie stand in einem

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