Der Brennende Salamander
hauchdünnen Glasgefäß, das zur Farbe der Blüte paßte, auf dem Boden in der Ecke und strömte einen betörenden Duft aus.
Ich näherte mich der Vase, zögernd wie ein Tier, das Gefahr wittert, zögerte, die Rose hochzuheben und an ihr zu riechen. Ich weiß nicht, weshalb ich mich so seltsam verhielt, aber irgendwie hatte ich das Gefühl, daß diese Rose mehr bedeuten sollte als einen freundlichen Morgengruß. Sie schien mir eine Morgengabe zu sein, ohne Anlaß, und ich hatte die vage Ahnung, daß sie in irgendeiner Form Gefahr bedeutete.
Also ließ ich die Vase stehen, stellte einen Farbkübel davor, so daß die Rose meinem Blick entzogen war. Als ich nach einiger Zeit merkte, daß sie mich trotz allem noch ablenkte, stellte ich sie neben die Tür. Und hoffte, daß damit ein guter Tag beginnen würde. Aber der Morgen verlief anders, als ich geglaubt hatte.
Nach zwei Stunden mußte ich feststellen, daß mein Skizzenblock noch immer nichts weiter vorzuweisen hatte als ein wirres Durcheinander von tanzenden Bockskörpern und wilden Mänaden, deren Gesichter alle auf die eine oder andere Weise die Züge von Nardos Mutter trugen. Ich legte den Block zur Seite und überlegte, ob ich Tetraeder malen solle wie immer in meinen fruchtlosen Zeiten.
Aber dann hatte ich plötzlich eine andere Idee. Ich trat an die Wand, auf der die Grundierung bereits getrocknet war, und begann in einer abgegrenzten Ecke, ohne Skizzen zu malen. Zunächst einen Brunnenrand, dann eine Bacchantin, die mit wehenden Haaren auf diesem Brunnenrand saß und einen Faun mit Wasser bespritzte. Ich malte das Wasser so, daß die Spritzer, die den Faun benetzten, aussahen, als berge jeder eine Liebkosung in sich.
Ich starrte minutenlang auf dieses Bild, erschrak über das, was ich gemalt hatte, als stamme es nicht von mir. Und während ich so stand und fassungslos auf mein Werk starrte, öffnete sich die Tür.
Ich drehte mich hastig um, stolperte dabei über den Farbkübel und die Vase, die in tausend Splitter zersprang. Bevor ich etwas tun konnte, hatte die Dienerin den Farbkübel bereits wieder aufgestellt und die Splitter der Vase in einen Krug eingesammelt. Ich soll Euch zum Morgenessen holen, sagte sie verlegen und blickte dabei auf die Rose, die am Boden lag.
Ich schaute ebenfalls auf die Rose, hob sie auf und gab sie ihr. Behalte sie! sagte ich grob. Sie stört.
Nach der Morgenmahlzeit, die ich allein in einem sonnendurchfluteten Balkonzimmer eingenommen hatte, kehrte ich an meine Arbeit zurück. Ich spürte bereits jetzt den Beginn des Sogs, der sich normalerweise erst dann einstellt, wenn ich beim Malen an einem ganz bestimmten Punkt angelangt bin, manchmal sogar erst kurz vor dem Ziel. Jetzt verspürte ich ihn bereits so früh, daß es mich verwirrte. Und mich fast nicht weitermalen ließ. Ich saß vor einem Bild, das noch keines war, starrte die Bacchantin an, die mir neckisch zulächelte und mir geradezu ›aus dem Pinsel geflossen‹ war, wie Daniele immer zu sagen pflegte, wenn er mit einer Arbeit besonders rasch vorankam. Und ich erschrak, daß ich ein Gesicht gemalt hatte, ohne mir darüber im klaren gewesen zu sein, daß sonst Rocco dergleichen zustand.
Ich übertrug die Darstellung auf das hinterste Blatt des Skizzenblocks und löschte das Bild auf der Wand, damit niemand es sehen konnte.
Weshalb habt Ihr es gelöscht? fragte plötzlich eine Stimme hinter mir. Ich zuckte zusammen, spürte, wie mir der Schweiß ausbrach, und brachte nur ein geflüstertes Bitte geht! heraus.
Und ich ahnte mehr, als daß ich es sah, daß Nardos Mutter so leise, wie sie gekommen war, auch wieder verschwand.
Am dritten Tag ging ich nach einem kurzen Besuch in der ehemaligen Kapelle bereits am frühen Morgen in die Stadt. Ich hatte mir vorgegaukelt, daß dies ganz normal sei. Man geht immer in die Stadt, wenn man mit seiner Arbeit nicht weiterkommt, jeder von uns tat dies. Ist die Stadt eine fremde Stadt, so kann sie Erlösung bringen, und wenn man Glück hat, setzt sie genau an der Stelle ein, die leer ist und der man entfliehen möchte. Zumindest erhofft man sich dies alles und noch viel mehr.
An diesem Morgen begegnete mir die Stadt anders als am ersten Tag – sie löste keine Angst mehr in mir aus. Ich ließ sie in mich einbrechen, lief ziellos umher, und da ich Venedig nicht kannte, war alles neu für mich. Ich setzte wahllos mit einem Boot über einen Kanal, kehrte ebenso wahllos mit dem nächsten Boot wieder zurück, ohne zu wissen, was
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