Der Brennende Salamander
über die Haare, zog ein Tuch aus dem Wams und säuberte die Stirn. Ich wollte dir von uns erzählen, sagte er leise, aber ich habe den Eindruck, daß dich das alles nicht mehr interessiert. Du spielst das Leben eines reichen Mannes und glaubst vermutlich, daß du selber eines Tages ebenso …
Ich arbeite, unterbrach ich ihn. Ich nehme an, du siehst es. Ich arbeite hart.
Er seufzte. Das sehe ich. Und dann nach einer Pause: Kommst du je wieder zu uns zurück?
Ich gab etwas von dem Farbbrei auf meine Palette. Weshalb sollte ich das nicht?
Du bist verändert, sagte Rocco mutlos. Ich hätte nie geglaubt, daß sich ein Mensch in so kurzer Zeit so verändern kann. Ist es wegen Nardo Cattaneo?
Wegen Nardo Cattaneo? Ich zog die Stirn in Falten, als hätte ich Mühe, mich auf den Namen zu besinnen.
Was soll das? fragte Rocco befremdet. Wir dachten damals alle, ihr würdet Freunde werden. Seid ihr es geworden?
Ich hob die Schultern. Ich weiß es nicht.
Wieso weißt du nicht, ob ihr Freunde seid? brauste Rocco auf. Wo ist er überhaupt?
Wer? Nardo?
Natürlich Nardo, wer sonst, sagte Rocco, und ich spürte, wie seine Stimme spitz wurde.
Ich weiß es nicht. Er ist oft in Bologna.
Rocco wischte sich wieder mit dem Tuch über sein Gesicht. Wir bringen übrigens Brigida das Malen bei, endlich richtig, sie ist sehr begabt.
Ach ja?
Sag mal, nimmst du vielleicht irgendwelche Zaubertränke? Aphrodisiaka? fragte er dann unvermittelt und mißtrauisch. Als ich ihm die Antwort schuldig blieb, legte er mir erneut die Hand auf den Arm. Ich weiß, was ihr dort unten macht, sagte er dann hart und deutete vage in eine Richtung, die freilich die falsche war. Ich weiß es. Bist du dir eigentlich darüber im klaren, daß sie eine strega ist?
Ich wandte meinen Blick von meinem Bild und schaute ihn an. Lächelnd. Sie ist keine. Aber selbst wenn sie eine Hexe wäre und auf dem Besenstil daherkäme, würde es mich nicht stören. Ich würde mitreiten. Und ich war mir ganz sicher, daß ich meinte, was ich sagte.
Rocco starrte mich an, als komme ich von einem anderen Stern. Dann wandte er sich langsam ab. Genau das dachte ich mir, sagte er tonlos. Es mußte ja so kommen.
Als sich die Tür hinter ihm schloß, überflutete mich die Scham, so daß ich ihm am liebsten nachgerannt wäre. Ich hatte ihm nicht einmal einen Stuhl angeboten, einen Becher Wein. Es konnte wirklich nur der Teufel gewesen sein, der mich geritten hatte. Aber ich nahm natürlich an, daß er zurückkommen würde. Er würde niemals weggehen, ohne daß wir uns ausgesprochen hatten.
Am anderen Morgen brachte ein Junge einen Brief, mit dem sich Rocco verabschiedete. Vielleicht hätte ich dir damals nicht meinen prächtigen mazzocchio leihen sollen, stand an den Rand geschrieben.
Ambrogio, mein Freund,
ich wollte noch einmal kommen, aber ich mußte früher nach Mailand, als ich voraussehen konnte. Vielleicht ist es auch gut so, wenn wir dem verquälten Zusammensein von gestern nicht noch ein zweites hinzufügen.
Was mit Dir ist, was in Dir vorgeht, kann ich nur ahnen, und es kommt mir auch nicht zu, es in diesem Brief anzusprechen oder Dich gar zu rügen. Aber ich denke, es ist etwas, was Dich bis in die tiefsten Tiefen Deines bisherigen Lebens erschüttert, aufwühlt.
Und ich verstehe, daß Dich mein überraschendes Eintreffen dem Punkt nahebrachte, an dem ich nichts weiter mehr für Dich sein konnte als ein Störenfried. Sei's drum, ich habe es hingenommen. Ich möchte aber nicht von Dir weggehen, ohne wenigstens von all den Dingen berichtet zu haben, die ich mir vorgenommen hatte, Dir zu erzählen. Von uns, vom Atelier, der bottega, von allem, was uns über die ganze Zeit hinweg gemeinsam berührt hat. Von Brigida natürlich im besonderen.
Zunächst die Unbilden, die es gegeben hat: Mona Orelli lebt nicht mehr. Sie hat einen merkwürdigen Tod erlitten, und wenn sie sich selbst dazu äußern könnte, so würde sie vermutlich sagen, daß es die gerechte Strafe Gottes war. Man hat sie gefunden kurz vor Rom, der heiligen Stadt, zu der sie aufgebrochen war, um sich dort vermutlich mit einem Liebhaber zu treffen; ein Brief in ihrem Beutel ließ darauf schließen. Ihre Kutsche stand am Wegrand, sie selber war offensichtlich gerade dabei gewesen, ihre Kleider zu wechseln, was nichts Besonderes gewesen wäre. Aber in ihrem Fall war es doch etwas Besonderes. Sie hatte gerade damit begonnen, ihre härenen, tristen grauen Gewänder – ihre ›Savonarola-Gewänder‹, wie sie
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