Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Brennende Salamander

Der Brennende Salamander

Titel: Der Brennende Salamander Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingeborg Bayer
Vom Netzwerk:
an getränkt mit den Geheimnissen der Alchimie.
    Gleich am Eingang des Labyrinths war in einer Nische eine große Tafel zu sehen, die den Weg zum Stein der Weisen zeigte. Die sieben Stufen der Transmutation waren dargestellt, das Schlußbild zeigte einen Mann, der den Schwefel, und eine Frau, die das Quecksilber symbolisierte. Die beiden gaben sich die Hände.
    Eine andere Nische war den Symbolen der frühesten Zeit der Alchimie vorbehalten, dann folgte ein doppelköpfiger Drache, der aus einem Brunnen stieg und einen roten Odem ausspie. Aus den fünf platonischen Elementarkörpern hatte ein Nürnberger Goldschmied ein geometrisches Gebilde in Kupfer treiben lassen, das nun an einer Stange im Winde baumelte. An der Speiche eines Rads hing eine Windtafel mit bizarren Zeichnungen aus einem alten Manuskript. Am Eingang zu dem Oktogon schließlich stand die Nachbildung der Tabula Smaragdina, des Testaments des Hermes Trismegistos, des Urvaters der Alchimie, das in der Cheopspyramide gefunden worden sein soll.
    Ghita ließ mich meinen Weg finden, wartete geduldig, bis ich gelesen hatte, was mich interessierte, wobei ich keineswegs die Ruhe hatte, alles aufzunehmen. Doch war mir klar, daß das Oktogon das Ziel unserer Reise sein würde.
    Ich hatte nie Anlaß gehabt, darüber nachzudenken, was Menschen miteinander reden, wenn sie beieinander gelegen haben, ich meine, unmittelbar danach. Ich hatte nicht einmal gewußt, ob sie überhaupt miteinander reden. Ob sie das, was hinter ihnen liegt, nicht so einschätzen, daß man nicht darüber reden will. Oder soll. Es einfach im Weltall verklingen lassen, als habe es nicht stattgefunden.
    Jetzt, da Ghita und ich in zwei schwingenden Schiffshängematten lagen, die zwischen den Baumstämmen gespannt waren, und miteinander Wein tranken, aus einem Becher, wie ich mir das immer gewünscht hatte, nahm ich an, daß wir beide wohl zu denen gehörten, die nicht darüber reden wollen. Zumindest nicht in diesem Augenblick.
    Und dann geschah etwas, was wir beide nicht erwartet hatten: Am nachtschwarzen klaren Himmel erschien ein Sternschnuppenregen. Nardo hatte uns bereits seit Tagen darauf hingewiesen, daß ein solcher kommen werde, daß es aber natürlich ungewiß sei, wann. Die Meteoriten schossen in großer Geschwindigkeit von Nordwesten her über den Himmel, fielen dann in einem weiten Bogen herab und verloschen irgendwo.
    Schenkst du mir einen, falls du einen auffängst? fragte Ghita leise.
    Ich schenke Euch in jedem Fall einen, egal, ob ich ihn auffange oder nicht.
    Und welchen?
    Den, der soeben neben dem Campanile von I Frari niederging. Habt Ihr ihn gesehen?
    Ja, sagte sie, ich habe ihn gesehen. Er war silbrig weiß mit einem bläulichen Schimmer, wie der Mond.
    Dann war Stille zwischen uns.
    Es schien, als seien alle Geräusche verlöscht, alles stumm – fast stumm: Nur an dem leichten Schaben der dicken Schnur um den rissigen Eukalyptusstamm konnte ich ahnen, daß Ghita von Zeit zu Zeit ihre Matte leicht bewegte.
    Irgendwann tastete sich ihre Hand zu der meinen herüber, wir hielten uns an den Händen, bewegten uns sanft in den Matten, bemüht, im Gleichklang zu bleiben. Es war wie Kinderwiegen. Und wir schauten den Sternschnuppen zu, die noch immer fielen, in Abständen. Es könne zwei Stunden dauern oder gar länger, hatte Nardo gesagt.
    Ich werde es nie glauben, sagte ich irgendwann, und schaute zu ihr hinüber. Ich konnte die Konturen ihres Gesichts erkennen, wenn auch nicht in aller Deutlichkeit. Ich wollte nicht reden, aber ich tat es, fast wie unter Zwang.
    Ich setzte mich auf und stellte die Füße auf den Boden.
    Ich weiß nicht, ob ich es glauben soll, sagte ich zögernd mehr zu mir selbst als zu ihr. Vielleicht gibt es mich nicht mehr. Vielleicht gab es mich nie zuvor. Vielleicht ist alles nur Traum.
    Sie lachte leise. Du meinst, daß du dir mich ausgesucht hast?
    Ich zögerte. Wahrscheinlich.
    Ich merkte, daß sie sich ebenfalls aufsetzte und mit den Füßen auf dem Boden stand. Dann wurde die Stille durchbrochen: Schräg unter uns, zwei Stufen tiefer, war ein leise platschendes Geräusch zu hören, ein Fisch mußte in dem Springbrunnen hochgesprungen sein. Einer der beiden Pfaue stieß einen schrillen Schrei aus, und in der Ferne bellte ein Hund.
    Hast du dir eigentlich nie überlegt, weshalb man dich hierher geholt hat? fragte sie dann zögernd. Ich meine, was der Grund hätte sein können?
    Der Grund? Ich drehte mich zu ihr, ihr Gesicht lag nun halb im

Weitere Kostenlose Bücher