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Der Brennende Salamander

Der Brennende Salamander

Titel: Der Brennende Salamander Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingeborg Bayer
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eine Madonna zu malen, brauche man eine andere Einstellung.
    Ich stelle mir also vor, daß Du eines Tages zurückkehren wirst, wenn Dein Auftrag in Venedig beendet ist. Falls es nicht so ist, werden wir es zu akzeptieren haben.
    Leb wohl, Ambrogio! Irgendwann werden wir uns gewiß wiedersehen.
    Für immer Dein Freund Rocco
    Ich las den Brief, las ihn wieder und konnte nicht verhindern, daß mir dabei die Tränen über das Gesicht liefen. Ich schämte mich nachträglich wegen meines abweisenden Benehmens und meiner Unfreundlichkeit. Ich spürte seine Nähe in diesem Brief, er kam mir entgegen, und ich ließ es wieder zu, auch wenn es mir jetzt noch schwerer fiel, zu begreifen, was in mir vorgegangen war, als er da unter der Tür stand und hier einbrach, hier, wo kein Raum mehr für ihn war: Sein Platz war besetzt, doppelt besetzt. Und ich hatte diese neue Konstellation störrisch verteidigt, obwohl er gar nicht versucht hatte, sich mir aufzudrängen. Ich hatte es vorbeugend getan, von tausend Ängsten gejagt, daß er mir etwas wegnehmen wollte, von dem er nicht wußte, was es mir bedeutete. Nun ärgerte mich, daß er Ghita nicht einmal gesehen hatte. Ich war mir im unklaren, weshalb es mich ärgerte. Ich hatte die beiden bekannt machen wollen und doch Ängste gehabt, daß Rocco unser Zusammensein vielleicht nicht gutheißen würde, daß er Einwände haben würde, die mich zutiefst verletzt hätten. Ich hatte zwischen uns eine Mauer wachsen lassen, in Sekundenschnelle, und da war keine Tür, die ich für ihn hatte öffnen wollen. Er mußte draußen bleiben.
    Ghita fragte mich nicht nach meinem Besuch, obwohl sie natürlich von ihm erfahren hatte. Wir taten so, als habe das Ganze nicht stattgefunden. Und sicher wäre es töricht gewesen, lange über diesen Besuch zu reden. Wir waren unserer so sicher, daß niemand hätte zwischen uns treten können, wir wollten in unserer gemeinsamen Muschelschale bleiben, ungestört.
    Sehenden Auges bewegten wir uns weiter unaufhaltsam auf den Abgrund zu, den wir ahnten. Und wollten.
    Natale verlief nicht besonders feierlich, was Nardo ganz offensichtlich seltsam fand. Früher seien junge Leute eingeladen worden, erzählte er mir, man habe getanzt und gesungen.
    Diesmal hatten wir uns zwar alle besonders festlich gekleidet und es gab ein Weihnachtsessen auf festlich gedeckter Tafel, aber damit war dem christlichen Fest Genüge getan. Der Rest war nicht christlich, er war heidnisch, ein Brauch aus antiker Zeit, mit dem die Laren einst um Segen für Haus und Hof und alle, die darin wohnten, angerufen wurden: Ein riesiger Baumstumpf wurde in den Kamin gelegt – der Bauer, der ihn brachte, äußerte sich grimmig über dieses heidnische Tun –, und als der Klotz hell in Flammen stand, sprühten Ghita und Nardo Wein aus dem Mund in das Feuer. Eine Zeremonie, die normalerweise nur der Hausherr ausführte, aber ich hatte den Eindruck, daß Ghita dieses Heidnische besonders genoß. Und daß sie das gleiche Recht hatte wie der Hausherr.
    Und dann stoben wir der Sonne entgegen, mitten hinein in die kochende Glut.
    D ER BRENNENDE S ALAMANDER
    Es war das Oktogon, in dem es geschah.
    Das Oktogon, ein achteckiges Gebäude am Ende des hohen Buchsbaumlabyrinths, das sich hinter der geheimnisvollen farbigen Wand erstreckte, von wo es angeblich keine Rückkehr mehr geben sollte. Seine Außenwand bestand aus lasierten Ziegeln in den Farben, die Ghita besonders liebte: Malachit, Ultramarin und vor allem Azurit.
    Es war ein seltsam erregender Augenblick, als sie mich bat, auf einen der Quader in der farbigen Wand zu drücken, worauf sich ein Tor träge in Bewegung setzte und den Weg freigab. Sie drückte mir das Ende einer Schnur in die Hand, die hinter dem Tor aufgerollt war, und schob mich voraus.
    Alles schien mir in diesem Augenblick doppelt zu geschehen: Jemand drückt auf eine ganz bestimmte Stelle, ein Tor tut sich auf, er geht durch dieses Tor an einen Ort, den er nie zuvor gesehen hat – ein völlig normaler Vorgang, ohne jedes Geheimnis. Und zugleich ein völlig anderer Vorgang, prall gefüllt mit Geheimnissen, die auf mich einstürmten, mich schwindeln machten, für immer aus dem Gleis zu werfen schienen: Das Oktogon am Ende des Labyrinths war kein Raum wie irgendein anderer, das Labyrinth kein normaler Irrgarten, wie er bisweilen in einem Park zu finden war, die Schnur keine normale Schnur, sondern ein Ariadnefaden, auf dem Weg zu einem unbekannten Zentrum – alles war vom ersten Schritt

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