Der Brennende Salamander
Geschwindigkeit zu ihr hinzog, so schnell, daß alles andere daneben verblaßte – und mir Brigida inzwischen so fern war wie der Mars. An manchen Tagen fragte ich mich sogar, was uns überhaupt verbunden hatte und weshalb ich sie lieber heute als morgen geheiratet hätte, wenn dies möglich gewesen wäre. Dann wieder schalt ich mich ein Ungeheuer, weil ich ihr Unerfahrenheit vorwarf, ich, der selbst kaum weiter gediehen war als sie. An anderen Tagen haßte ich Ghita, haßte sie bis in die Fingerspitzen, und wenn ich mich dann meinem Wandbild zuwandte, veränderte ich ihr Gesicht mit ein, zwei Pinselstrichen derart, daß sie zu einem höhnischen alten Weib wurde. Aber kaum grinste sie mich aus zahnlosem Mund an, konnte ich nicht schnell genug wieder ihre Schönheit hervorzaubern. Mein farbgetränkter Pinsel streichelte gewissermaßen ihre Haut, ich hätte sie am liebsten mit den Fingerspitzen berührt und meine Lippen auf ihren Mund gepreßt, auch wenn die Farbe noch nicht getrocknet war.
Auch in dieser Nacht, als ich auf meiner Pritsche lag und mich fragte, weshalb ich Ghita nicht auf den Regenbogen gefolgt war, machte mich meine Phantasielosigkeit ratlos wie schon so oft. Ratlos und unstet. Ich spürte, wie meine Beine unruhig zuckten, und setzte mich auf, starrte in die mondhelle Nacht hinaus, die durch ein Seitenfenster der ehemaligen Kapelle hereinleuchtete – ein schmaler Streifen Licht, der sich bewegte, was mir rätselhaft blieb. Dann stand ich auf und schlüpfte in meinen leinenen Malerkittel, den ich kaum eine Stunde zuvor abgelegt hatte. Ich ging zu meinem Gemälde, nahm nahezu blind und ohne die Kerze anzuzünden einen Pinsel und begann zu malen. Durch nichts unterstützt als durch diesen schwankenden Lichtschimmer, der mich mehr irritierte, als er mir half. Wieder wußte ich nicht, was ich eigentlich malen wollte, wieder lauschte ich in mich hinein, versuchte zu erahnen, was ich darstellen wollte – und mich nicht getraute.
Aber dann mit einem Male, als sei ein Tau gerissen, mit dem ein Boot am Kai festgemacht war, malte ich drauflos. Ich spürte den Pinsel in meiner Hand, als führe ihn ein Zauberer, mache ihn leicht und körperlos.
Und während ich da stand und im Halbdunkel wie ein Besessener malte – irgendwann zündete ich wie in Trance zwei Kerzen an –, wirbelten die Gedanken durch meinen Kopf, und ich fragte mich, was wohl wäre, wenn Ghita auch nur einen Bruchteil dieser Gedanken wüßte. Wennsie wüßte, daß ich nun das Gesicht des Fauns, den ich an diesem Abend gemalt hatte, in mein eigenes verwandelte, daß dieser Faun, daß ich die junge, trunkene Bacchantin mit den wehenden Haaren bestieg, der ich Ghitas Züge gegeben hatte, und, die Bocksfüße brutal um ihre Lenden geklammert, mit heftigen Stößen in sie eindrang, wieder und wieder ihren Widerstand bezwang, ihren Lustschrei im Ohr, vermischt mit dem meinen, unser Keuchen so laut, daß man es gewiß bis weit über die Lagune hören mußte.
Irgendwann, mir schienen Stunden oder gar Tage vergangen zu sein, blieb ich erschöpft zurück, als hätte ich einenhohen Berg erklommen. Ich wischte mir den Schweiß vom Gesicht, legte den Pinsel zur Seite, zündete eine dritte Kerze an, dann eine vierte. Dazu noch eine Öllampe. Und betrachtete mein Bild, als habe nicht ich es gemalt, sondern irgendein Gott, der die Maler liebt. Ich bestaunte den zurückgeworfenen Kopf meines Fauns, seinen weit aufgerissenen Mund, die Augen zu Schlitzen verengt, seine Lust durch nichts gebrochen. Ich glaubte, seinen Brunstschrei zu hören, halb Mensch, halb Tier.
Du bist gut, Ambrogio, hätte vermutlich Rocco gesagt, wenn er ehrlich gewesen wäre und dies hätte sehen können. Aber du bist sündig wie die Nacht, sündiger, als wir alle zusammen im Hause Orelli je waren. Aber du darfst es sein. Wie hatte er doch einst zu mir gesagt, als er wieder einmal meine Zaghaftigkeit belächelte? Ein Maler darf alles, er ist ein Künstler, und Künstler sind frei. Sie folgen ihren eigenen Gesetzen und sonst niemandem. Du hast es nicht nötig, auf die Krümel der Unbegabten zu warten, scher dich nicht drum, ob sie dich loben oder schelten! Es bedeutet nichts. Hol dir den Kuchen, der dir gehört!
Und ich hatte das Gefühl, daß ich nicht mehr warten wollte auf diese Krümel, die mich an die Krümel trockenen Brotes erinnerten, die Ghita jeden Morgen an ihre schwarzen Schwäne an der Bootslände verfütterte.
In der sala auf dem Boden.
Im Laboratorium.
In der
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