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Der Brennende Salamander

Der Brennende Salamander

Titel: Der Brennende Salamander Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingeborg Bayer
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beschwörend. Aber es waren eben nicht diese Bilder, die mich dafür sorgen ließen, daß du eines Tages hier sein würdest. Du warst es, der Mensch Ambrogio Innocenti. Ich habe dich ausgewählt. Nicht du mich.
    Ich ließ mich zurücksinken, schwankend zwischen Ratlosigkeit und Zorn. Ich hatte das Gefühl, daß ich soeben etwas verlor, was mich zuvor zutiefst beglückt hatte – ich fühlte mich nicht mehr der Sonne nahe, ich flog ihr nicht mehr entgegen.
    Der Salamander brannte nicht mehr.
    Sie schaute mich irritiert an. Was stört dich daran, daß ein Mensch von einem anderen so fasziniert ist, daß er Himmel und Hölle nicht fürchtet, um zu ihm zu kommen? Unabhängig von Zeit und Raum? Unabhängig von allem, was für die übrigen zählt – Geld, Alter, Ansehen.
    Ich brachte meine Hängematte in wilde Schwingungen, so daß ich fast aus ihr herausgeschleudert wurde. Es wird nie eine Zukunft für uns geben, sagte ich dann hilflos und zornig zugleich, nie. Und das wißt Ihr so gut wie ich. Es gelingt mir nicht einmal, zu diesem Du überzugehen, von dem Ihr offenbar so angetan seid, seit wir uns so nahe waren.
    Zukunft! Sie lachte auf. Was ist das, Zukunft? Es bedeutet, daß eines Tages etwas vorüber sein wird, was jetzt ist. Aber weshalb soll ich darüber traurig sein, daß dies so ist? Das andere hat doch stattgefunden, nur das zählt. Sie hielt meine Hängematte mit einem harten Ruck an. Hast du nie Horaz gelesen? Sein Carpe diem?
    Ich habe ihn gelesen, aber ich … Ich verstehe Euch trotzdem nicht.
    Hätte ich dir das alles nicht sagen dürfen?
    Ich schwieg so lange, bis sie meine Hand nahm und sie zärtlich streichelte.
    Begreifst du nicht, sagte sie dann, daß es das Schönste auf der Welt sein muß, wenn man um seiner selbst geliebt wird? Kein Mitleid, weil du ein gettatelli bist, keine Bewunderung für diese Arbeit in der Kapelle, die dir eines Tages Ruhm einbringen wird. Ich wollte dich. Und ich wußte, daß wir beide einander etwas geben können, was keiner von uns zuvor je besaß.
    Und was ist es, was ich Euch gebe? Meinen Samen? Weil Euch zur Zeit kein anderer Mann dafür zur Verfügung steht? fragte ich brüsk.
    Sie ließ sich zurücksinken. Mach es nicht kaputt! murmelte sie nach einer Weile. Zerstör es nicht willkürlich!
    Dann sagt mir, was es ist, was ich Euch gebe! drängte ich.
    Du gibst mir das, wonach ich mich immer sehne, was ich aber nie haben werde.
    Und was ist das?
    Sie zögerte. Ich hörte ihren Atem, der mühsam ging. Du bist in einer ganz bestimmten Art und Weise – fromm, verstehst du das? Ich mußte lachen und konnte mich kaum mehr fassen. Ihr habt Euch, sagte ich dann unter wildem Lachen, Ihr habt Euch in meinen Glauben verliebt. Einen Glauben, den ich nicht besitze. Mein Gott, Ihr liebt etwas, was es überhaupt nicht gibt! Was ich weder heute habe noch je gehabt habe, noch haben werde.
    Ihr habt es. Ihr wißt es nur nicht. Sie stand auf und reichte mir die Hand.
    Ich finde allein zurück, sagte ich störrisch.
    Ihr findet nicht zurück, erwiderte sie. Ein Besucher, der sich einmal verbotenerweise hier in das Labyrinth herein gewagt hat, bemühte sich stundenlang, bis er schließlich um Hilfe rufen mußte, da er glaubte, für immer eingeschlossen zu sein. Bei Nacht benutze selbst ich den Ariadnefaden.
    Ich weiß nicht mehr, wie lange ich sie warten ließ. Dann stolperte ich hinter ihr drein, ohne ihre Hand zu berühren. Ich schaute öfter zum Himmel als auf den Weg – aber der Sternschnuppenregen hatte inzwischen aufgehört.
    Und während des gesamten Wegs durch das Labyrinth murmelte ich die Namen meiner Raupen vor mich hin, wobei mir endlich auch der fehlende wieder einfiel: Schmutzgesicht, Kurzhorn, Falschauge. Ich murmelte sie vor mich hin, zunächst leise, und dann, als ich vor mir Ghitas leises Schluchzen vernahm, so laut, daß man meine Stimme bestimmt bis zum Canal Orfano hören konnte: Schmutzgesicht, Kurzhorn, Falschauge. Kurzhorn, Schmutzgesicht, Falschauge.
    Und ich wußte, daß nie wieder etwas so sein würde wie zuvor.
    H EIMKEHR
    Ghita ist nach Wien gereist. Der Satz fiel beim Morgenessen. Ich blickte von meinem Teller hoch, legte mein Mundtuch zur Seite. Dann wiederholte ich den Satz als Frage, in der Hoffnung, ich hätte falsch gehört.
    Sie trifft sich dort einige Male im Jahr mit Freunden, um ihre neuesten Blumenzüchtungen vorzustellen, sagte Nardo freundlich. Hat sie Euch nicht davon erzählt?
    Ich hatte das Gefühl, ich müsse schreien. Oder hochspringen.

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