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Der Brennende Salamander

Der Brennende Salamander

Titel: Der Brennende Salamander Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingeborg Bayer
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ihm von all den Verdächtigungen zu erzählen, die bei uns kursierten: daß die Medici wiederkämen und ihre Spitzel bereits überall in der Stadt hätten, daß Brigidas Bräutigam zu ihnen gehöre, auch wenn er ständig vehement das Gegenteil behaupte. Und daß sie alle von einer Stunde zur anderen aus ihren Löchern kriechen würden, wenn sie die Zeit dafür für reif hielten – was noch für dieses Jahr erwartet wurde. Aber Noldanis Frage zielte offensichtlich in eine völlig andere Richtung.
    Es hat Euch also noch niemand erzählt, daß ich falliert habe, spottete er, daß mein Vater falliert hat, mein Großvater falliert hat, daß wir eine Familie von falliti sind, aber trotzdem immer wieder auf die Beine fallen? Und daß ich nun Brigidas Mitgift brauche, um Sozius zu werden, hat Euch auch niemand erzählt?
    Von diesen Sachen verstehe ich nichts, sagte ich steif.
    Er lachte. Ach ja, ich weiß. Die Ausdrücke aggio , cambio , delega und portafoglio gehören natürlich nicht zum Wortschatz der Heiligen. Wie klug, daß Ihr Euch nichts aus dem schnöden Mammon macht, mit dem Florenz aber immerhin an die Spitze des Bankwesens in Europa gerückt ist. Wie gut, daß es in dieser Welt immer noch die reinen Toren gibt, die nur dem Geiste leben. Er lachte wieder und schlurfte dann weiter den Gang entlang.
    Später hörte ich ihn abermals über mir hin und her stampfen, dann waren schrille Töne auf einer Fiedel zu hören und noch später die aus einer Posaune. Er probierte jetzt offensichtlich alle Instrumente durch, die er in den Kammern gefunden hatte, und da er keines spielen konnte, hörte es sich an, als wolle er einen Vorgeschmack auf den Lärm der Hölle geben.
    D AS ›F EUER DER E ITELKEITEN ‹
    Sie hatten den talamo bereits Tage zuvor errichtet. Auf dem großen Platz vor der Signoria. Die Holzpyramide maß in der Höhe dreißig Ellen, ihr Umfang betrug etwa einhundertzwanzig Ellen. Sie sollte mit den Gegenständen bestückt werden, die wir Jungen aus den Häusern der Bürger herausholen würden. Gewaltsam, wenn man sie uns nicht freiwillig gab und wenn unsere Höflichkeit an der Starrheit der Bürger abprallte.
    Als Rocco und ich in das Haus des Messer Orelli eindrangen, nachdem wir den Türklopfer gegen das Tor hatten fallen lassen, wußten wir nicht, daß es das Haus war, in dem Brigida wohnte. Wir wußten auch nicht, daß es sich um das Haus eines der reichsten Seidenhändler der Stadt handelte. Was wir aber sehr rasch wußten, war, daß in diesem Haus ein Spitzel Savonarolas sein mußte. Der Diener bat uns unterwürfig ins Haus, als kämen wir zu einem Besuch am Nachmittag, wobei allerdings die Gastgeber fehlten. Seine Herrschaft sei über Land gefahren, verkündigte er uns freundlich, aber er wisse Bescheid, wo sich die Dinge befinden.
    Normalerweise bekamen wir sehr rasch, was wir forderten. Wenn wir mit der Hölle drohten oder dem Fegefeuer, genügten meist zwei oder drei Sätze, und jedermann war bereit, alles abzugeben, was er an Tand besaß – oder was Savonarola dafür hielt. Bei Büchern war es allerdings am schwierigsten. Werke von Petrarca zu verbrennen und von Boccaccio oder die Schriften der Humanisten fiel niemandem leicht, und manche drückten ihre Kostbarkeiten an die Brust, als seien dies Kinder, die man ihnen entreißen wolle.
    Weshalb Petrarca? fragte einmal ein alter Mann mit Tränen in den Augen und versteckte das Buch hinter seinem Rücken. Weshalb ihn?
    Weil er nun mal Dinge schreibt, die Savonarola nicht gefallen, sagte Rocco sanft und entwand ihm die Handschrift aus den verkrampften Händen. Und weil bestimmte Bücher zu den ›unehrenhaften‹ Gegenständen gehören und die Euch zur Sünde verleiten. Wollt Ihr Eurer Seele das antun?
    Als wir nun in Messer Orellis Haus eindrangen, mit forschen Schritten die breite geschwungene Treppe hinaufstiegen, dem Diener auf den Fersen, um uns umzusehen, wo die Schätze verborgen waren, trat uns Brigida entgegen. Ich hatte sie seit ihrem Wunsch, jenes wilde Brunnenpferd zu heiraten, nicht mehr gesehen, und sie konnte mich kaum wiedererkennen nach dieser langen Zeit. Innerhalb eines Augenblicks – der Diener hatte Rocco bereits in einen seitlichen Gang zu den Schlafkammern geführt – bildeten sich tausend Sperren in mir.
    Sie streckte mir einen kleinen silbernen, mit Perlen besetzten Handspiegel entgegen: Mehr habe ich leider nicht, flüsterte sie. Es ist das einzige Wertvolle, was ich besitze. Es stammt von meiner Großmutter.
    Ich

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