Der Brennende Salamander
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Und dann fand ich im Wohnraum auch noch diesen Olivenzweig, über Kreuz! sagte er vorwurfsvoll und warf einen Zweig auf den Tisch.
Ich starrte auf den Zweig, es war der, den ich am ersten Abend in den Becher gestellt hatte. Und was stört Euch an diesem Zweig?
Nun, erst vor kurzem hörte ich von einer Hexe, die einen gekreuzten Olivenzweig vor die Haustür eines Pächters gelegt hat. Dieser Pächter ist kurze Zeit später von seinem Gut vertrieben worden, sagte er erregt.
Seid Ihr immer so abergläubisch?
Nein, das bin ich keinesfalls, sagte er heftig, aber man muß sich vorsehen.
Gut, wir werden uns vorsehen, sagte ich, nahm den Zweig, ging in den Wohnraum und warf ihn aus dem Fenster. Ist es recht so? fragte ich dann freundlich, als ich zurückkam.
Er nickte, zog einen Würfelbecher aus seinem Rock und warf ein Spiel Karten auf den Tisch.
Ich hasardiere nicht, wehrte ich ab.
Er zog die Brauen hoch, während er die Karten zu mischen begann. Ach ja, sagte er dann lächelnd und schob den Kartenstoß zu mir herüber, es ist natürlich verboten. Aber Ihr dürft ganz sicher sein, daß es hier niemand sieht und verbieten kann.
Ich schob die Karten zu ihm zurück. Es interessiert mich aber wirklich nicht. Ich habe keine Lust auf die stinche . Und ich will auch keinesfalls ein zweites Mal mit Wasser getauft werden.
Er lachte auf. Aber nicht doch! Man wirft die Delinquenten ja nur einmal, ein einziges Mal, in den Arno.
Wenn ich sage, daß ich nicht hasardiere, dann tue ich es auch nicht. Womit auch sollte ich Euch bezahlen, falls ich verliere?
Man verliert doch nicht immer, man gewinnt auch. Und ich verspreche Euch, daß ich keine gotteslästerlichen Flüche ausstoße, falls ich verliere. Auch schwöre ich Euch, daß ich es bisher noch nie im Innern des Battistero tat oder am Aufgang zum Ponte alla Carraia, wo es in jedem Fall verboten ist.
Und Eure Verluste könnt Ihr bei Eurer Firma als Geschäftsverlust abschreiben, oder? konnte ich mir nicht verkneifen.
Nein, kann ich nicht, sagte er verärgert und schob die Karten zusammen. So bedeutend bin ich nicht, daß man dies tut. Noch nicht.
Ich stand auf. Ihr verschwendet Eure Zeit. Tut mir leid.
Aber ein Schachspiel verträgt Euer empfindsames Gewissen doch, wie Ihr mir verraten habt, sagte er und schaute mich mißmutig an. Nur damit die Nacht ein wenig kürzer wird für mich.
Ich lachte. Ihr wollt mit einem Mann Schach spielen, dem Ihr zutraut, daß er sich nicht wäscht, wenn er zu Bett geht? Michelangelo wäscht sich auch die meiste Zeit nicht, heißt es. Wenn ihn keine Frau dazu zwingt, läßt er es überhaupt sein. Ich bin nicht Michelangelo.
Nein, sagte er, zum erstenmal sachlich, das seid Ihr gewiß nicht. Nein, nein, regt Euch nicht auf! beschwichtigte er mich, als er mich ansah. Eure Malerei ist gut. Ihr versteht etwas von der prospettiva .
Könnt Ihr das beurteilen?
Ihr meint, weil ich nur der simple capitano einer kleinen Bankfiliale bin? In einer Stadt, in der selbst die Eseltreiber Dantes Verse singen, wird doch wohl auch der Sohn eines Seidenhändlers so viel Wissen besitzen, daß er ein Bild beurteilen kann, oder etwa nicht?
Er nahm ein kleines Schachbrett aus einer Tasche und teilte mir die weißen Figuren zu.
Ich denke, man lost die Farbe aus, sagte ich.
Ich wollte Euch die Farbe der Reinheit überlassen, spottete er und baute das Feld auf. Weil ich weiß, wieviel er Euch einst bedeutet hat.
Wer? fragte ich verblüfft.
Nun, wer wohl? Euer Heiliger von Florenz. Ich wette, Ihr denkt heute noch, daß seine Staatsform besser gewesen wäre, als die, die wir danach hatten.
Mag sein, sagte ich gleichmütig, da ich nicht wußte, wohin er das Gespräch lenken wollte, und machte einen Zug.
Aber es ist Euch doch klar, daß er euch Kinder mißbraucht hat? drängte er.
Ich ließ meine Hand mit dem Bauern in der Luft verweilen. Wieso?
Nun, diese ganze Lustfeindlichkeit, bei der schon das Atmen Sünde war, diese absolut unnatürliche Einstellung allem Leiblichen gegenüber, die er euch allen bereits im Kindesalter eingeträufelt hat, sie hat doch ihre Auswirkung auf Euer späteres Leben gehabt. Wenn ich nur Eure Kleidung betrachte – mausgrau, schwarz, dunkelbraun, vor jeder Farbe nehmt Ihr Reißaus –, so scheint sie mir immer noch aus der Zeit zu stammen, als dieses kleine Mönchlein von San Marco das Sagen in der Stadt hatte und jedwede Freude am Leben verbot. Und dieses seltsame Keuschheitsideal, zu dem er euch verpflichtete,
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