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Der Brennende Salamander

Der Brennende Salamander

Titel: Der Brennende Salamander Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingeborg Bayer
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und ging zur Tür, ganz gewiß nicht ohne Pferd.
    Wobei ich wieder vergaß zu fragen, wo er das seine gelassen hatte und wie er zur Villa gekommen war, nachdem ringsherum alles zerstört war.
    Der Nebel verschwand an dem Morgen, an dem Messer Noldani ausnahmsweise früh aufstand. Ich war bereits im Flur bei meinen Malarbeiten und hörte ihn im Keller fluchen. Dann fielen irgendwelche Gegenstände auf den Boden, schließlich verließ er das Haus, ohne mir einen guten Morgen zu wünschen.
    Ich malte sicher drei oder vier Stunden, ohne mir eine Pausezu gönnen, und stellte mit Befriedigung fest, wie das Bild langsam wuchs, wie vor allem selbst in meinen winzigen Details das sichtbar wurde, was uns allen am Herzen lag: die prima regula , die seconda regula und die prospettiva . Meine Mariaim Vordergrund war nun genau um den Grad größer, der es ermöglichte, daß man in den Raum hineinschreiten konnte wie in eine wirkliche Landschaft. Ich verharrte vor dem Bild, nahezu verliebt. Und ich stellte mir törichterweise vor, daß Masaccio, der diese neue Form des Sehens vor fast einem Jahrhundert zum erstenmal zur Anwendung gebracht hatte, mich aus seinem Grab zu dieser Arbeit beglückwünschen würde.
    Das Geräusch hörte ich erstmals, als ich eine kurze Pause machte, um meine Palette neu mit Farben zu versorgen. Es kam von der Decke über mir, ein heftiges Nagen, das von einer Maus oder einer Ratte im Fußboden herrühren konnte. Ich nahm einen Schürhaken vom Kamin und stieg die Treppe hinauf. Das Geräusch kam aus einem der hinteren Zimmer, und als ich näher kam, stellte ich fest, daß es sich um Messer Noldanis Zimmer handeln mußte, das ich, seit er hier war, nie betreten hatte. Ich öffnete rasch die Tür und sah gerade noch eine große Maus in einem Loch im Fußboden verschwinden. Ich wollte sehen, wohin das Loch führte, und dabei entdeckte ich auf einem kleinen Tisch neben dem Bett von Brigidas Bräutigam ein geöffnetes kleines Kästchen, nicht viel länger als ein Zeigefinger, das mit Seidenstoff ausgelegt war. Ober dem Deckel des Kästchens hingen winzige Kleider, die ganz eindeutig für das Alraunenmännchen gedacht waren, das an das Kästchen gelehnt war. Zum Trocknen vermutlich. Genauso wie seine winzigen Kleider.
    Ich weiß nicht, wie lange ich da stand und die Alraune betrachtete. In die Hand nahm ich sie nicht. Nicht, weil ich abergläubisch gewesen wäre wie ganz offensichtlich Messer Noldani, sondern weil ich unten bereits Geräusche hörte, die seine Rückkehr ankündigten.
    Als ich die Treppe hinunterkam, sah ich ihn stehen – beladen mit drei Käfigen voller ängstlich flatternder Krammetsvögel. Er mußte die Leimruten bereits in aller Frühe ausgelegt haben, als ich ihn im Keller rumoren gehört hatte.
    Könnt Ihr sie zubereiten? fragte er, zum erstenmal gut gelaunt.
    Ich esse keine Vögel, sagte ich frostig, ich höre sie lieber singen.
    Er lachte auf. Es muß Euch recht gutgegangen sein in Eurem Ospedale, wenn Ihr solche Leckerbissen verschmäht habt. Aber macht Euch nichts draus, ich kann sie allein zubereiten!
    Als ich das aufgeregte Piepsen der Vögel, die er der Reihe nach umbrachte, nicht mehr ertragen konnte, verließ ich den Flur und ging in den Wohnraum.
    Der Himmel hatte endlich aufgeklart, so daß man nun die Folgen des Bebens in vollem Ausmaß erkennen konnte: Das einstmals blühende Tal war zu einer unübersichtlichen Geröllhalde geworden, in der die zerborstenen Häuser weitgehend in tiefen Kratern versunken waren, so daß mir das Ganze wie ein riesiges Begräbnisfeld für Häuser erschien. Das Wasser, das bergwärts geflossen war, hatte sich eine schmale Rinne gegraben und vertröpfelte nun über dem Geröll. Eine Gänseschar zog schnatternd zwischen den Steinbrocken umher, ein paar Schweine schnüffelten in den Resten eines Misthaufens. Immer wieder brüllten die Kühe, die vermutlich immer noch nicht gemolken waren. Ein Hund kratzte winselnd an einer noch stehenden Hauswand – wahrscheinlich der Ort, an dem er früher gelebt hatte – und versuchte dann in einem kühnen Schwung durch die Fensteröffnung ins Haus zu springen, das es nicht mehr gab.
    Ich hoffe, Ihr seid mit Eurer Arbeit bis zum Osterfest fertig, sagte Messer Noldani plötzlich hinter mir und klopfte mir jovial auf die Schulter. Ich mag keine Arbeiter im Haus, wenn ich eingezogen bin. Und im übrigen gefällt mir die Skizze im Schlafzimmer nicht.
    Was hättet Ihr denn gern?
    Er zuckte mit den Achseln. Etwas mit

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