Der Brennende Salamander
jedoch für dieses Angebot eingehandelt hatte, war sein eigenes Bild zuoberst auf dem Stoß.
Dann irgendwann – es war nicht zu erkennen, wer das Zeichen dazu gegeben hatte – loderten die Flammen empor. Manche Gegenstände wie zum Beispiel die Perücken aus Seide und die Pergamenthandschriften brannten rasch, andere waren schwer entzündbar und glosten bis spät in die Nacht hinein vor sich hin. Dabei lastete der Geruch des Teufels über der Stadt wie eine Mahnung Gottes, sagten die Frommen und bekreuzigten sich.
Aber noch war der endgültige Höhepunkt des Geschehens nicht erreicht. Denn während die Flammen loderten, stießen die Trompeten schrille Töne in den Himmel, und der Gesang Tausender Menschen mischte sich mit ihren Gebeten. Über dem Platz war ein Dröhnen, als tobe ein Sturm über ihn hinweg.
Mir lief es eiskalt über den Rücken, ein Schüttelfrost erfaßte mich. Ich spürte Tränen auf meinem Gesicht, und ich wußte nicht, weshalb ich weinte. Weil ich dabeisein durfte? Weil wir in dieser Minute den Satan besiegten? Weil ich Savonarola gehöre? In dieser Stunde glaubte ich wirklich, daß ich ihm gehöre. Ich fühlte mich aufgesogen von irgend etwas, von dem ich nicht wußte, was es war. Aber ich wußte, daß es existierte. Daß ich existierte. Daß ich mich fühlte und daß ich lebte, wie ich nie zuvor gelebt hatte. Es war, als stünde ich tausendfach neben mir und hätte nicht nur ein einziges armseliges, unbedeutendes Leben, von dem ich an manchen Tagen nicht einmal wußte, ob es überhaupt ein richtiges Leben war.
Als das Feuer heruntergebrannt war, zogen wir durch die Stadt. In einem schier endlosen Zug näherten wir uns dem Kloster San Marco, in dem Savonarola Prior war. Wir tanzten in einem gewaltigen Kreis um das Kloster, die Jungen im inneren Kreis, dann die Mönche und Prioren und ganz außen das Volk. Was dieses Volk in dieser Nacht dachte, wußte ich nicht. Aber in dieser ungewöhnlichen Stunde war es mir gleichgültig, was es dachte, ob es überhaupt dachte. Wichtig waren mir nur meine eigenen Gedanken, sie flogen aus meinem Kopf heraus, stoben zum Himmel empor. Also war ich.
Ihr dürft sicher sein, daß ich Euch nicht mehr allzu lange belästigen werde, sagte Messer Noldani am vierten Tag nach seiner Ankunft, als er um die Mittagszeit mißgestimmt in die Küche kam. Dieses Haus ist ein langweiliges Haus. Wenn man es nicht verlassen kann, bleibt man am besten den ganzen Tag über im Bett. Ich werde es einmal auf jeden Fall umbauen lassen.
Vielleicht eine kleine Spielhölle in der Bibliothek? Für Würfelspiele, für Französische Dame oder parigi ?
Vielleicht, sagte er freundlich. Vielleicht auch nur eine Vergrößerung der limonaia.
Aber gewiß nicht für Limonen und Orangen, wie es früher üblich war?
Nein, natürlich nicht. Er nahm eine Nuß aus der Schale, warf sie in die Höhe und fing sie geschickt wieder auf. Das dürfte wohl klar sein. Aber besser wäre sicher ein Turm im vorderen Teil dieses Hauses. Oder ein völlig anderer Ort, murmelte er dann vor sich hin.
Ich lachte auf. Ach ja, ein Turm. Also noch mehr Leute in der Familie, die sich am Goldmachen versuchen wollen. Soviel ich weiß, hat eben der Mann, den Ihr offensichtlich so sehr bewundert, dieser Nardo, in Messer Orellis Haus am Arno bereits den Turm halb in die Luft gesprengt.
Doch nicht dort! korrigierte er mich milde. Den Turm seines eigenen Hauses. Das war ja der Grund, weshalb man ihm danach die limonaia hier überlassen hatte. Sie liegt ab vom Haus und ist ebenerdig. Aber er war dann selten hier. Ich nehme an, er hat alles mitgenommen, was er einst hierhergebracht hat. Manche behaupten ja, er sei es gar nicht gewesen, dem das passiert ist. Aber es sind ja alles nur Gerüchte, wehrte er ab. Ihr müßt es nicht weitererzählen. Mich interessiert eben die Alchimie, schon in meiner Kindheit glaubte ich an den Erfolg des Goldmachens. Deswegen bin ich ja auch nicht zu den Seidenhändlern gegangen wie mein Großvater und mein Vater. Ich weiß nicht, wieviel Seide man verkaufen muß, bis man den Wert einer einzigen Unze Gold gewinnen kann. Dazu sitzt man dann tagaus, tagein in seinem Kontor und betrachtet die vier Wände. Irgendwann klappt der Deckel zu, und man fragt sich, wozu man dieses schöne Leben denn genutzt hat. Er schaute aus dem Fenster und schüttelte sich. Wenn das Wetter nicht besser wird, werde ich mich so bald wie möglich aufmachen.
Wie denn? Bei dem Nebel? Ohne Pferd?
Nein, sagte er grinsend
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