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Der Brennende Salamander

Der Brennende Salamander

Titel: Der Brennende Salamander Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingeborg Bayer
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verfolgt Euch doch bis heute, oder habe ich unrecht?
    Ich schob das Brett zurück und stand auf. Ich bin müde. Spielt allein weiter!
    Weshalb so empfindlich? spottete er. Habe ich etwas Falsches gesagt? Ich gehörte nun mal nicht zu seinen Getreuen, die ihm die Worte aus dem Mund sogen, bevor sie noch gesprochen waren. Ich gehörte zu denen, die nicht mehr länger mit ansehen wollten, wie ein Verrückter mit einem Haufen fanatischer Kinder jahrelang eine Stadt tyrannisierte.
    Er hat dieser Stadt eine demokratische Verfassung gegeben, nachdem die Medici verjagt worden waren, stieß ich hervor. Er hat uns Ideale geschenkt, die abgesunkenen Sitten reformiert, zur Keuschheit erzogen, ja, ja, ja, ja und tausendmal ja. Wir gehörten ihm. Weil wir ihm gehören wollten.
    Er deutete auf das Bett, das in der Ecke der Küche stand. Keuschheit? Er lachte auf. Ich wette, Ihr habt darin nichts anderes gemacht, als was jeder Mann machen würde, wenn er im Bett einer Frau schläft, die er begehrt und von der er genau weiß, daß er sie nie besitzen wird.
    Was wißt Ihr überhaupt von ihm? fragte ich zornig. Ich weiß nicht, wo Ihr gelebt habt, als Savonarolas große Zeit war. Vermutlich in Hinterindien oder irgendwo in der Wüste.
    Ich lebte bei meiner Familie in Prato, weil ich dort geboren bin, danach einige Zeit in Florenz, genau wie Ihr. Aber natürlich gab es einen Unterschied zwischen uns beiden: Meine Mutter hätte mich nie und nimmer in die Häuser fremder Leute gelassen, um sie wie gemeine Diebe auszurauben, auch wenn man dieses Einsammeln der ›Gegenstände der Eitelkeiten‹ religiös zu beschönigen versuchte.
    Er hatte inzwischen das Brett umgedreht und zog voller Hektik mit einer weißen Figur. Etwas anderes als Raub war es ja wohl kaum, was Euch dieser große Heilige befohlen hat. Aber euch innocenti hat das ja ganz offensichtlich nicht gestört. Da ihr nie etwas besessenhattet, konntet ihr euch nicht vorstellen, wie es ist, wenn sich jemand von seinen Büchern trennen sollte, seinen Handschriften, seinen Bildern. Für euch war es nahezu ein Rachefeldzug gegen die Reichen. Und selbstverständlich ging es euch dabei um nichts anderes als um die nackte Macht, die ihr zuvor nie besessen hattet und jetzt zum erstenmal in eurem Leben ungehemmt ausüben konntet. Ihr, die ewig Machtlosen, die ständig gehorchen mußten, die Niemande, wart plötzlich keine Niemande mehr. Und dies alles auch noch im Namen Gottes! Endlich konntet ihr alles über Bord werfen, was euch im Weg war, alles, was ihr je gelernt hattet, interessierte euch nicht mehr.
    Meint Ihr im Ernst, sagte ich erregt, man hat uns nicht beigebracht, was Recht und Unrecht ist? Ich setzte mich wieder an den Tisch und drehte das Brett nochmals um, so daß das Spiel nun zur Groteske wurde. Und überhaupt, das alles liegt schon ewig zurück, schon fast in grauer Vorzeit. Ich verstehe nicht, weshalb Ihr es wieder hervorholt. Niemand erinnert sich mehr daran.
    Er lachte auf. Glaubt nur das nicht! Ihr werdet es nie aus Euch herausbekommen, so wie Ihr konstruiert seid. Bis an der Welt Ende nicht. Und im übrigen – ich spreche Euch ja gar nicht ab, daß Ihr zur Gerechtigkeit erzogen worden seid. Nur dank was? Dank desGelds der Seidenhändler. Zwei Lire für jeden Meter Seidenstoff, der verkauft wurde.
    Nicht nur die Seidenhändler haben Geld gegeben, die Stadt auch, korrigierte ich ihn. Und ich denke, es war ein Akt der Menschenliebe. Man übergab den Seidenhändlern diese armen Kinder in ihre Obhut, und zu Beginn des letzten Jahrhunderts entschied man sich für ein Haus, in dem sie leben konnten oder …
    Nicht alle entschieden sich dafür, unterbrach er mich und nahm mit freundlichem Lächeln einen Läufer vom Brett. Ganz gewiß nicht alle. Messer Noldani, mein Großvater väterlicherseits, zum Beispiel stimmte dagegen. Und mit ihm noch eine ganze Reihe anderer Bürger.
    Ja, ja, man hat es uns erzählt, sagte ich leise, einundzwanzig waren dagegen. Gut, daß ich endlich jemanden kennenlerne, dessen Vorfahren kein Mitleid mit denjenigen hatten, deren ›Väter und Mütter den Gesetzen der Natur abtrünnig waren‹, wie das so schön hieß.
    Seht das, wie Ihr wollt, sagte er, stand auf und nahm die Weinkaraffe mit die Treppe hinauf.
    Auf der letzten Stufe blieb er plötzlich stehen. Was wißt Ihr eigentlich von mir?
    Wie bitte?
    Ja, was erzählt man sich im Hause Orelli von Brigidas Bräutigam?
    Ich fürchte, gar nichts, sagte ich kurz, da ich keinerlei Lust verspürte,

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