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Der Brennende Salamander

Der Brennende Salamander

Titel: Der Brennende Salamander Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingeborg Bayer
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streckte die Hand aus, zog sie wieder zurück, als ich ihr Gesicht sah. Du mußt ihn nicht hergeben, sagte ich leise, es wird sich genug anderes finden lassen.
    Sie schüttelte den Kopf. Ich gehöre Savonarola genauso wie ihr. Ich will ihm dienen genau wie ihr.
    Du bist zu jung, um ihm zu dienen, sagte ich zögernd, wobei ich mir nicht sicher war, ob sie inzwischen acht oder neun war, also längst in dem Alter, in dem sie ihm hätte dienen können.
    Ich bin neun, sagte sie, als habe sie meine Gedanken erraten, und ich will es.
    Rocco kam bereits wieder zurück, sein Sack beulte sich nach allen Richtungen, und ich vermutete, daß er in aller Eile zusammengerafft hatte, was es zu raffen gab. Der Diener schleppte eilfertig einen Korb mit Büchern hinter ihm drein, und ich las im Vorübergehen die Autorennamen Aristophanes, Ovid und Anakreon. Lauter heidnische Autoren, erklärte mir der Mann mit blasiertem Gesicht, so als hätte ich den Namen Ovid noch nie gehört und müsse von ihm aufgeklärt werden.
    Beeil dich! drängte Rocco, als er befremdet meinen leeren Sack registrierte. Wir müssen diese Straße so rasch wie möglich durchsuchen. Das ›Feuer der Eitelkeiten‹ findet in drei Tagen statt.
    Ich komme gleich, sagte ich hastig. Geh voraus!
    Es ist aber besser, wenn wir weg sind, bevor ihre Eltern zurückkommen, sagte Rocco und starrte verwundert auf Brigida, die zärtlich über ihren Spiegel mit dem halbblinden Glas strich, als wolle sie von ihm Abschied nehmen. Gibt es Schwierigkeiten?
    Nein, sagte Brigida fest und schob den Spiegel in meinen leeren Sack. Es gibt keine. Dann wandte sie sich um und rannte die Treppe empor, als sei der Leibhaftige hinter ihr her.
    Rocco war inzwischen am Haustor und rief zu mir herauf: Wir haben das Musikzimmer dir überlassen. Aber beeile dich! Ich habe keine Lust auf Prügel, wie wir sie gestern bekamen. Und bewaffnete Wächter mag ich ebensowenig an meiner Seite.
    Ich nickte, rannte in die Richtung, die er mir gewiesen hatte, betrat in aller Eile den Raum und raffte nun wie ein Dieb eine Trompete, zwei silberne Flöten, eine Fiedel, ein Krummhorn und ein Ölgemälde von der Wand.
    Ich stopfte alles in meinen Sack, wobei es mir gleich war, ob das wertvolle Gemälde beschädigt wurde oder nicht, da es ja ohnehin verbrannt werden würde.
    Dann kramte ich Brigidas Spiegel aus dem Sack und legte ihn auf die Treppe. Und ich hoffte, sie würde ihn vor dem Diener finden, der katzbuckelnd und mit tiefer Befriedigung auf seinem Gesicht unten an der Tür stand.
    Nicht immer ging es so problemlos wie in diesem Haus. Manche Bürger warfen uns die Tür vor der Nase zu, wenn sie uns erkannten, andere öffneten gleich gar nicht, und wieder andere empörten sich lautstark über die Zerstörung der Kunstwerke, und sie wünschten wortreich die Medici zurück, unter deren Patronage so etwas nie hätte stattfinden können. Sie fragten sich – dies ebenfalls lautstark –, ob Savonarola überhaupt fähig sei, diese Stadt zu regieren.
    Und damit stürzten sie auch mich über die Rechtlichkeit dessen, was wir hier taten, in Zweifel, die Rocco nie hatte. Wir sind die Soldaten Gottes, pflegte er mit tiefer Überzeugung zu sagen, und er fühlte sich den Kreuzrittern ebenbürtig, wenn sie ins Heilige Land zogen, um das Grab unseres Herrn aus den Händen der Ungläubigen zu befreien.
    Ich fühlte mich keinesfalls so. Erst recht nicht, als ich einige Tage später – es war die Nacht zum Fastnachtsdienstag und wir schrieben das Jahr 1497 – mit Tausenden von Menschen vor der mächtigen Pyramide stand, die mit all dem sogenannten Tand den Flammen übergeben werden sollte. Ich sah sie also wieder, die ›unehrbaren‹ Gegenstände, die wir und die anderen aus den Häusern der Bürger zusammengetragen hatten. Sie hingen auf dem dreißig Ellen hohen Holzgerüst, das sich wie ein gigantischer Finger Gottes symbolisch in sieben Stufen gegen den Himmel reckte: auf der ersten Stufe kostbare Gewänder und Masken für die Zeit des carnevale, als nächstes die mißliebigen Bücher heidnischer und christlicher Autoren, dann wertvolle Handschriften aus Pergament, es folgten Schönheitswässer, Cremes und Spiegel, weiter oben dann die Glücksspiele, Karten, Musikinstrumente, Bilder, Marmorstatuen und auf der Spitze der siebenstöckigen Pyramide Götterbilder der Antike und eine Figur mit Ziegenfüßen und wildem Bart. Ein Kaufmann aus Venedig hatte zwanzigtausend Goldflorin für all das Teufelsgut geboten, was er

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