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Der Brennende Salamander

Der Brennende Salamander

Titel: Der Brennende Salamander Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingeborg Bayer
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wieder einmal das Gefühl hatte, daß er mir nicht traute.
    Wir fanden die Stelle, kaum daß der Tag angebrochen war. Wir lösten eines der Boote, dessen Kette nur lose um einen Ast geschlungen war, und stiegen in den schwankenden Kahn. Brigida lachte, als wir beim Einsteigen unsere Kutten zusammenrafften und uns auf den Ruderbänken niederließen. Die seltsamsten Mönche, die ich je gesehen habe, sagte sie dann. Was sind wir eigentlich?
    Dominikaner, Benediktiner, Vallombroser und Franziskaner, sagte ich, während ich allein mit aller Kraft gegen den Strom ruderte, da wir nur ein Ruder besaßen. Die Morgenkühle stieg inzwischen vom Wasser hoch, Brigida umfaßte die Schultern mit den Armen, um die klammen Hände zu wärmen.
    Nach einer Weile löste mich Rocco ab. Daniele zog ein Stück Papier aus seiner Kutte und begann, es kopfschüttelnd zu lesen.
    Was gibt es für Neuigkeiten, und woher hast du sie?
    Die Neuigkeiten sind aus dem Lukas-Evangelium, sagte Daniele, und sie stammen von jenem umgestürzten Wagen mit den Mönchskutten. Auf der obersten war ein Zettel befestigt, der offenbar als Amulett dienen sollte: ›Aber Jesus ging mitten durch sie hindurch.‹
    Es scheint nicht viel genutzt zu haben, sagte Rocco und hielt für einen Augenblick mit dem Rudern inne.
    Auch Messer Noldani hat sein Amulett, sein Dukatenmännlein, nichts genutzt, warf ich ein. Ich schaute mich zögernd nach Brigida um. Weißt du eigentlich, was genau passiert ist?
    Brigida schlug die Kapuze ihrer Kutte zurück, so daß wir zum erstenmal ihre abgesäbelten Haare im hellen Tageslicht erkennen konnten. Er wollte mich retten, sagte sie dann leise, aber es gelang ihm nicht mehr. Sein Bruder konnte mich gerade noch in den Schacht stecken und diesen alten Ofen darüberschieben, aber er … Habt ihr ihn gesehen?
    Ja, sagte Rocco und schaute über das Wasser. Er lag oben in der Schlafkammer, in der er dich vermutlich unterbringen wollte. Über dem Bett war übrigens ein Rosenhag an die Wand gemalt, das war wohl das, was er sich für eure Kammer in der Villa vorgestellt hatte. Aber das hast du wahrscheinlich nicht gesehen.
    Es sollte eine Überraschung sein, sagte Brigida leise. Er wollte mir die Kammer zeigen, sobald die Belagerung vorüber gewesen wäre. Und nach einer Weile fügte sie mit einem Blick über den Fluß hinweg hinzu: Wißt ihr, ich werde nie wieder schreien, wenn ich eine gemalte Hölle sehe, nie wieder.
    Daniele schaute sie an. Und weshalb nicht?
    Weil ich für alle Zeiten wissen werde, was die Hölle ist, sagte Brigida und legte ihre Kutte ab, als wir in der Ferne das Haus am Arno sahen.
    D IE R ÜCKKEHR DER M EDICI
    Als ich die Wagen mit den Büchern sah, die ihre Ladung in San Marco abholten und in Richtung der Piazza della Signoria dirigiert wurden, schien es mir, als sei die Zeit stehengeblieben. Ich hatte das Gefühl, als ziehe mit diesen Büchern, mit dieser Bibliothek, die Savonarola einst an sich genommen hatte, nun wieder all das ein, was die Florentiner über viele Jahre hinweg vermißt hatten: Macht, Ruhm und Glanz jener Zeiten, in denen Lorenzo der Prächtige der Herrscher dieser Stadt gewesen war.
    Die Medici, Giuliano und sein Neffe Lorenzo, waren am 1. September in die Stadt eingezogen, mit allem Prunk und so, als habe die Welt außerhalb der Stadttore nie in Flammen gestanden. Giuliano legte sofort fest, daß das Amt des Gonfaloniere, das der letzte Gonfaloniere Soderini auf Lebenszeit hatte besitzen wollen, auf ein Jahr befristet wurde. Kardinal Giovanni de Medici, der vierzehn Tage später eintraf, löste den Großen Rat auf und verkürzte die Amtszeit des Gonfaloniere sogar auf zwei Monate. Er ließ verkünden, daß die Zeit der Korruption vorüber sei, daß endlich wieder Recht und Ordnung in dieser Stadt einziehen sollten, und er ließ durchblicken, daß er weder vorhabe, das Vermögen von irgendwelchen Bürgern einzuziehen, noch jemanden hinzurichten. Mit dem alten Kampfruf der Medici Palle ! Palle ! jubelte das Volk den Zurückgekehrten zu, und es hatte den Anschein, daß es zumindest für den Augenblick keine Feinde mehr gab. Wo sich die ehemaligen Gegner derMedici, vor allem die Anhänger der Familien Pazzi und Neroni, aufhielten, war nicht bekannt.
    Soderini wurde – wie üblich in solchen Situationen – in die Verbannung geschickt. Er floh zunächst nach Siena, später nach Castelnuovo. Niemand wollte wissen, wo er geblieben war: Seine Zeit war vorüber.
    Und die Zeit des Schreckens, jenes vierzehn

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