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Der Brennende Salamander

Der Brennende Salamander

Titel: Der Brennende Salamander Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingeborg Bayer
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weg sein, bevor der Morgen graut, drängte Brigida. Vorher schlafen sie ihren Rausch aus, fuhr sie dann fort und schlang sich ihre Decke um die Schultern.
    Rocco schüttelte den Kopf. Wir können so nicht gehen, wir brauchen irgendeine Uniform, wenn wir nicht auffallen wollen. In den Zimmern oben hat ein Kampf stattgefunden, vielleicht finden wir etwas Passendes. Ich gehe nach oben.
    Brigida hielt ihn am Ärmel fest. Du weißt, was dich da oben erwartet?
    Rocco nickte. Ja.
    Sind alle …? fragte Brigida zögernd.
    Rocco nickte ein zweites Mal. Ja, alle. Die Frau, die deine Schwägerin hätte werden sollen, der Mann, der dein Schwager hätte werden sollen, und …
    Was heißt das, fragte Daniele beunruhigt, findet die Hochzeit etwa nicht mehr statt?
    Nein, sagte Rocco ruhig, sie findet nicht mehr statt. Aber ich hätte mir gewünscht, sie hätte aus anderen Gründen nicht stattgefunden. Sie sind alle tot.
    Sie haben ihnen die Kehlen durchgeschnitten, flüsterte Brigida, und die Mädchen, die Mädchen …
    Rocco zog Brigida aus meinem Arm und schüttelte sie. Es ist vorbei. Und wir müssen sehen, wie wir hier herauskommen. Komm zu dir!
    Brigida schaute ihn verstört an, während Daniele zornig ihre Hand nahm und versuchte, sie zu trösten.
    Sicher gestattet dir Brigida, ihre Hand stundenlang zu halten, wenn wir erst hier heraus sind. Aber jetzt ist dafür keine Zeit. Sie können jederzeit zurückkommen. Und da wir die Kerze oben gerochen haben, schlage ich vor, daß wir zunächst diese Fackel ausmachen, sie riecht stärker als eine Kerze.
    Sie werden sich keine Zeit nehmen, nach einer Fackel zu suchen, sagte Brigida stockend. Es geht alles sehr schnell. Ich wußte gar nicht, wie schnell es geht, jemandem die Kehle durchzuschneiden.
    Rocco schüttelte sie wieder. Ich warne dich, hör auf damit! Wir müssen hier heraus. Die Platte liegt jetzt offen, der Ofen steht nicht mehr darüber.
    Habt ihr etwas zu trinken? fragte Brigida eingeschüchtert. Ich habe seit gestern nichts getrunken. Und hier unten sind nur Fäßchen mit Vin santo.
    Dann nimm Vin santo, du mußt trinken! Ich habe biscotti eingesteckt.
    Wir zündeten Brigidas Kerze an und tunkten unser Gebäck in den Vin santo, den wir in eine angeschlagene irdene Schale abzapften – über dem Fäßchen hingen die Spinnweben von Jahrzehnten herunter. Man hätte meinen können, wir seien nicht zwei Klafter unter der Erde, sondern in einem Palazzo und der Diener habe soeben den Nachtisch aufgetragen.
    Es ist mir zu süß, wehrte sich Daniele, dieser schwere Wein und dann die biscotti  – mir wird schlecht davon.
    Mir nicht, sagte Brigida, ich habe zwei Tage und Nächte nichts gegessen, während ich hier unten saß und über mir in bestimmten Abständen die Soldaten in das zerstörte Haus drangen und die Leichen immer wieder nach irgendwelchen Kostbarkeiten durchsuchten. Manchmal waren Schreie zu hören, wenn sie Frauen hereinzerrten und sie vergewaltigten. Ich habe mir die Ohren zugehalten, aber meine Ohren sind leider ziemlich gut.
    Rocco winkte ab. Es ist keine Zeit für Mitleid, sagte er. Wir müssen hier heraus, wenn möglich, solange es Nacht ist.
    Und wie? wollte Daniele wissen.
    Indem wir tun, als gehörten wir zu ihnen.
    Zu ihnen gehören? Wie willst du zu ihnen gehören? Zu diesen Mördern?
    Oben in den Schlafkammern liegen zwei tote spanische Soldaten. Wir werden ihnen die Uniformen ausziehen, ihre Waffen habe ich vorhin schon versteckt. Und dann werden wir versuchen, nach Hause zu kommen, sagte Rocco.
    Natürlich, spottete Daniele. Und unsere Pferde warten ja brav in jener Scheune an dem kleinen See.
    Vermutlich tun sie das nicht, erwiderte Rocco, aber dann nehmen wir uns andere. Es laufen genug herrenlose Pferde herum.
    Und wer zieht die Uniformen an?
    Brigida und ich, entschied Rocco. Ich, weil ich etwas Spanisch kann, und Brigida, weil sie als Frau nicht durchkommt.
    Und Ambrogio und ich?
    Ihr gehört zu den Marodeuren, zu den ribaldi , sagte Rocco amüsiert.
    Was soll das heißen, empörte sich Daniele, bedeutet es etwa, daß ich zu den Untersten der Unteren des Trosses gehöre?
    Wenn du willst, können wir dich auch ohne weiteres zum barattiere befördern, sogar zum capitano des Gesindels, dann brauchst du nichts weiter zu tun, als Dirnenwirt und Spielhalter zu sein. Und das ohne Spanisch, spottete ich.
    Ein paar Brocken Spanisch lernten wir dann in der kurzen Zeit bis zur Morgendämmerung: Hierher, hier sind Florin! Wo wohnt der Dirnenwirt? Wo gibt

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