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Der Brenner und der liebe Gott

Der Brenner und der liebe Gott

Titel: Der Brenner und der liebe Gott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Haas
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nicht mitgekriegt hat, dass ich noch gar nichts gewesen bin. Weil für die Rosensträuße hat er noch jahrelang den Kredit abgezahlt. Für die Leute fängt ja der Baulöwe schon beim größeren Baumeister an. Wenn du heute dein erstes Einfamilienhaus auf die Wiese gestellt hast und es bricht nicht schon am ersten Tag zusammen, sofort Baulöwe. Und der Kressdorf hat leider jahrelang auf diesem Niveau dahingefuhrwerkt, der war ja schon fast vierzig, wie er die Medizinstudentin kennengelernt hat, und damals hat er sich die teuren Hotels im Grunde noch gar nicht leisten können.
     
    Sein rasanter Aufstieg hat dann erst mit der Almhütte in Kitzbühel angefangen. Du musst wissen, ohne Hütte kommst du nicht an die Aufträge heran. Almhütte, Skihütte, das unterrichten sie heute schon auf der Wirtschaftsuniversität, aber der Kressdorf hat noch auf alles selber drauf kommen müssen, und er hat ein halbes Berufsleben gebraucht, bis er es kapiert hat. Damals hat er sein ganzes Geld in die Hand genommen, das er in den ersten zwei Jahrzehnten verdient hat, und es einem Kitzbüheler Halsabschneider für eine total verrottete Almhütte hingelegt, die eigentlich nur noch der Holzwurm zusammengehalten hat. Und dann natürlich, Bankdirektoren, Politiker, Journalisten, Bischöfe, Investoren, auf einmal haben ihm alle aus der Hand gefressen. Aber da muss man schon auch sagen, Almhütte ist nicht Almhütte. Weil so einen geschmackvollen Almpalast, wie der Kressdorf aus dem Holzwurmhaufen gezaubert hat, da haben sich die kleineren Bürgermeister jahrelang anstellen müssen, damit sie einen Termin für einen schnellen Schnaps im Stehen kriegen.
    Aber heute natürlich kein Bürgermeister, weil nur innerster Kreis, sprich Spitzentreffen. Heute sind sie nur zu dritt in der Jagdherrenstube gesessen. Also rein von den Leuten her. Die Mädchen haben ja noch oben geschlafen, weil es am Abend ein bisschen länger gegangen ist, und da hat man gesagt, lassen wir sie heute ein bisschen ausschlafen.
    Es war jetzt eine wahnsinnig friedliche Stimmung, und der Bankdirektor Reinhard hat gesagt, so ein Tag ohne Handy ist wie zwei Wochen Urlaub mit Handy. Der Obersenatsrat Stachl hat so zustimmend genickt, dass ihm die Schuppen aus dem schwarzen Vollbart gerieselt sind, weil Neurodermitis. Aber nicht dass du glaubst, der Obersenatsrat Stachl war im Allgemeinen so ein übertriebener Nicker. Sondern im Gegenteil, das Handyverbot vom Bankdirektor Reinhard hat ihn wahnsinnig genervt, und damit der Reinhard es ihm nicht anmerkt, hat er so übertrieben genickt, quasi Tarnung. Aber die Neurodermitis hat sich natürlich nicht täuschen lassen, jetzt ist der Obersenatsrat aus dem Bartkratzen gar nicht mehr herausgekommen. Nach einer Hüttennacht sowieso immer Juckreiz zum Quadrat, und der Juckreiz hat ihn erst recht wieder nervös gemacht, sprich Teufelskreis. Nur damit du dir keine falschen Gedanken machst, woher der feine Staub gekommen ist, der auf der Seite vom Aurelius Stachl den Holztisch bedeckt hat.
     
    Der Bankdirektor Reinhard dagegen. Für den hätte man das Wort »entspannt« erfinden müssen, wenn es nicht schon herum gewesen wäre. Und da meine ich nicht nur seine Leibesfülle, wo man sich ja auch oft täuscht, und der gemütliche Dicke ist vielleicht nur so dick, weil er so viele Menschen in der Tiefkühltruhe hat, dass er mit dem Aufessen nicht nachkommt. Aber das Komische am Reinhard war ja, dass er gar nicht dick gewirkt hat, obwohl er bestimmt fünfzig, sechzig Kilo zu viel unter seinem schwarzen Rollkragenpullover versteckt hat. Dem Reinhard hat man das nicht negativ angerechnet. Mit seinen sechzig Jahren hat er eher wie ein beleibter Gymnasiast gewirkt, der in der Schule allen weit voraus ist, außer im Sport. Der ist immer so gemütlich auf seinem Sessel gethront, hat durch seine dicken Brillengläser aus seinem speckigen Gesicht herausgeschaut, aber bei ihm ist das eben in Richtung imposante Erscheinung gegangen. Und ob du es glaubst oder nicht, wie gestern am Abend die Mädchen gebracht worden sind, da hat man gleich gemerkt, sie gehen lieber zum Reinhard als zum Stachl, obwohl der Stachl halb so alt, sportlich, groß und schlank, das war der reinste Gladiator gegen den Reinhard. Und an der schuppigen Gesichtshaut ist es bestimmt auch nicht gelegen, weil der Vollbart hat das sehr gut verdeckt. Aber beim Reinhard haben die Mädchen vielleicht mehr das Gütige gewittert, das Väterliche.
    Und ich muss ganz ehrlich sagen, auf der Alm war

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