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Der Brenner und der liebe Gott

Der Brenner und der liebe Gott

Titel: Der Brenner und der liebe Gott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Haas
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er wirklich so. Da hat der sich in einen gütigen Menschen verwandelt, ich weiß nicht, ist es an der Höhenluft gelegen, an der Ruhe oder doch einfach an der Jagd. Der Reinhard hat sich selber gewundert, wie entspannt er auf der Alm immer war. Darum ist er ja so gern hingefahren. Im Alltag hat er seine gütige Seite gewaltsam unterdrücken müssen. Was glaubst du, was da aus der Bank geworden wäre, wenn er sie mit seiner Jagdgüte geführt hätte.
    Aber dazu war der Reinhard natürlich ein viel zu verantwortungsvoller Mensch. Der hat die Bank seit zwanzig Jahren sehr erfolgreich geführt, da hätten Hunderte, wenn nicht Tausende junge Bankfräulein ihren Job verloren, wenn der Reinhard das nicht so super gemacht hätte. Dann auch noch seine eigene Familie in Klosterneuburg, vier Kinder, bei jedem Geburtstag immer persönlich dabei, alles. Er hat sogar in der Pfarre mitgeholfen, wenn es sich zeitlich ausgegangen ist, vor allem seine Frau natürlich. Da haben sich viele gefragt, wie der Reinhard das alles schafft. Aber das war eben, weil er auch so gut im Entspannen war. Und so entspannt wie heute war er schon lange nicht mehr.
    »Das war eine großartige Idee von Ihnen, dass wir auf der Alm das Handyverbot machen«, hat er zum Kressdorf gesagt und so zufrieden gelächelt, dass die kleinen Äuglein hinter seinen dicken Brillengläsern fast komplett verschwunden sind.
    In Wahrheit ist es natürlich die Idee vom Bankdirektor Reinhard gewesen. Sein ausdrücklicher Wunsch: kein Handy, nicht nur bei der Jagd, sondern auch in der Hütte.
    Weil sie haben immer noch »Hütte« gesagt, obwohl der Kressdorf die Alm zum reinsten Bergbauernhof ausgebaut hat. In der Hütte kein Handy, hat der Reinhard gesagt, weil darum gehen wir ja in die Natur. Mein Gott, so ein Bankmanager hat wahnsinnig viel Verantwortung, der darf sich auch einmal ein kleines Extravergnügen gönnen, eine kleine Demütigung am Wegesrand, indem man jemanden für die Idee lobt, die man ihm aufgezwungen hat. Das ist ein Verhalten, das ist weitschichtig verwandt mit dieser Sache, wo man sich für die Ohrfeige noch bedanken muss, aber viel freundlicher, weil ohne Ohrfeige, nur mit Lob. Der Reinhard hat immer nur geflüstert, wie er etwas haben will, und alle sind sofort gesprungen, und nachher hat er gesagt, das war eine gute Idee von dir.
    Dem Kressdorf hat das nichts ausgemacht. Dem Obersenatsrat Stachl schon, der ist jedes Mal rot angelaufen, wenn der Reinhard ihn wie einen kleinen Buben für etwas gelobt hat, das er gar nicht getan hat. Aber der Kressdorf hat nur das große Ganze gesehen, sprich den großen Auftrag. Weil für ein Projekt wie das
Riesenland
im Prater kann man als Baulöwe schon einmal einem gutmütigen Sadisten seinen Spaß lassen und sein Lob für ein Handyverbot entgegennehmen, das er selber aufgestellt hat. Und du darfst eines nicht vergessen. Das war ein Projekt, da hätte er noch einmal so einen Sprung gemacht wie damals, wo er mit seinem letzten Geld die Alm gekauft hat.
    »Ich könnte dem Hasen stundenlang zuschauen«, hat der Bankdirektor Reinhard gelächelt. Sein dickliches Ministrantenlächeln hat eine Zufriedenheit ausgestrahlt, dass ich umgekehrt sagen muss: Ich könnte dem Reinhard stundenlang beim Lächeln zuschauen. Das fressende Tier hat für ihn so was Friedliches gehabt, das hat ihm in den letzten Jahren fast mehr bedeutet als die Jagd selber. Und der Stachl hat sogar manchmal hinter vorgehaltener Hand gelästert: Der Reinhard schießt ja gar nicht mehr gern, dem genügen die Hüttentiere hinter der Scheibe.
     
    Du musst wissen, die Jagdherrenstube war durch eine Glasscheibe vom Stall abgetrennt. Das ist heute der letzte Schrei bei den Almhütten, und erfunden hat das ursprünglich der Kressdorf. Mit seinem letzten Geld hat er damals die gläserne Stallwand einziehen lassen. Aber wie dann die
Jagdrevue
einen mehrseitigen Fotoartikel über seinen kreativen Einfall gebracht hat, haben es natürlich sofort alle nachgemacht. Im Grunde war diese Glasscheibe zwischen der Jagdherrenstube und dem Kleintierstall die Basis vom ganzen Kressdorf-Imperium, weil das hat den Leuten gefallen, das glaubst du gar nicht. Dabei hat er ihnen nicht einmal die Einwegverspiegelung auf Knopfdruck vorgeführt. Sondern nur die reine Glasfunktion hat die Leute schon begeistert. Da hast du in der Jagdherrenstube deinen Speck gegessen, deinen Schnaps getrunken, deine Millionen gezählt, dein Schwarzgeld gestreichelt, und durch die Glasscheibe hast du den

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