Der Brenner und der liebe Gott
Tieren beim unschuldigen Tiersein zugeschaut. Aber interessant. Der Reinhard hat es überhaupt nicht gemocht, wenn der Obersenatsrat Stachl Witze über die »Haserl« hinter der Scheibe gemacht hat. Weil das war dem Reinhard zu vulgär. Ein gewisses Niveau hat er sich von einem Obersenatsrat erwartet, auch auf der Alm.
Jetzt am Morgen waren die Mädchen sowieso nicht mehr im Hasenstall. Die haben bis Mittag geschlafen, das war für den Reinhard eine fremde Welt, dieses lange Schlafen hat er nicht verstanden, weil der Morgen war das Schönste für ihn, und jeden Morgen um Punkt sechs Uhr die fünf Tibeter.
»Du entschuldigst mich, ich muss einmal ganz kurz«, hat der Reinhard zum Kressdorf gesagt und sein Handy herausgezogen. Weil das war natürlich der wichtigste Teil an der Abmachung, dass der Reinhard dann doch zumindest einmal kurz telefoniert hat, quasi das Verbot übertreten, das angeblich der Kressdorf erlassen hat. Aber immer mit zerknirschter Entschuldigung. Der Obersenatsrat Stachl hätte sich das nie getraut, der hat immer einen Durchfall simuliert und alle fünf Minuten vom Klo aus seine wichtigsten Telefonate gemacht.
Und jetzt, während der Reinhard in der Jagdherrenstube telefoniert hat, ist der Stachl auch wieder auf das Klo hinaus und hat schnell sein Handy aufgedreht. Unter den dichten schwarzen Locken war sein Kopf mit Narben übersät, so oft hat er ihn sich in dem niedrigen Almklo schon angeschlagen. Bei seiner Größe hat er dort nicht gerade stehen können, und der Obersenatsrat überhaupt ein nervöser Telefonierer, ein Fuchtler und Gestikulierer. Vielleicht hat auch sein unterdrückter Zorn auf den Reinhard eine Rolle dabei gespielt, dass er sich im Klo regelmäßig den Kopf angerannt hat, entweder am Fenstergriff oder an der Lampe oder am Rehgeweih oder am Klopapierregal. Besonders wenn ihn ein Anruf aufgeregt hat, war er gefährdet. Typisches Beispiel, dass er jetzt beim Hinausgehen vergessen hat, sich in der Tür zu bücken. Das hat garantiert mit dem SMS zu tun gehabt. Weil Notruf, dass die Frau vom Kressdorf ihren Mann nicht erreicht und dass der sie dringend anrufen soll.
5
»Jetzt hat sie es aufgegeben«, hat einer von den zwei Shopsäufern gesagt. Also der Magere, weil der Fette ist ja mit dem Rücken zum Herrn Simon gestanden, aber er hat so einen Bauch gehabt, dass er mit dem Rücken am Nachbartisch gestreift ist. Und da siehst du schon, wie schlecht es dem Chauffeur jetzt gegangen ist. Dass ihm nicht aufgefallen ist, dass sein Handy schon seit zehn Minuten vollkommen ruhig war. Du musst wissen, nachdem er den Kressdorf beim dritten Versuch immer noch nicht erreicht hat, hat er es wieder aufgegeben. Und ich habe ihn ja im Verdacht, dass er es sowieso nur probiert hat, weil er vom Handyverbot gewusst hat, wo es ein Riesenzufall gewesen wäre, wenn der Kressdorf sich gemeldet hätte. Abgedreht hat der Herr Simon sein Handy nach den vergeblichen Versuchen aber auch nicht, sondern schön im schmerzhaften Mittelbereich geblieben, ohne Lösung und ohne Schonung, sprich enervierendes
Castles made of sand.
Aber wie es dann auf einmal aufgehört hat, war es ihm nicht verdächtig. Es tut mir selber weh, wenn ich daran denke, dass sein Hirn jetzt langsamer war als das von den Shopsäufern, denen es vor ihm aufgefallen ist.
»Meine telefoniert auch den ganzen Tag«, hat der Magere laut verkündet, damit es auch der Tankwart hört, der gerade einen Stapel Tiefkühlpizza
Napoli
in das Kühlregal eingeräumt hat. »Ich weiß nicht, was das ist bei den Frauen.«
Den kurzen Blick vom Tankwart hat der Herr Simon genutzt und ihm mit seinem leeren Becher gedeutet. Und der Tankwart hat genickt, quasi: Ich räum nur noch schnell die Pizzaschachteln ein, damit sie nicht auftauen, und dann bring ich dir gleich noch einen Espresso.
»Dass die den ganzen Tag die Pappalatur offen haben müssen«, hat der Magere gesagt.
»Te te te te te te te!«, hat der Bierbauch mit einer hohen Stimme gemacht und dazu sein linkes Patschhändchen wie einen Vogelschnabel bewegt, quasi Schnattergans.
»Da hilft manchmal nur Nichtabheben«, hat der Magere gesagt. »Oder, Milan?«
»Te te te te te te te!«, hat der Bierbauch gemacht, ich weiß auch nicht, warum die Bierbauchmänner immer so eine hohe Stimme haben, angeblich die weiblichen Hormone im Hopfen, und dann kriegst du einen Busen und eine hohe Stimme als Mann, aber da wäre jetzt einmal interessant, ob das auch für alkoholfreies
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