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Der Brenner und der liebe Gott

Der Brenner und der liebe Gott

Titel: Der Brenner und der liebe Gott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Haas
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zappeln lässt.
    Er hat sich in dem winzigen Schlafzimmer im ersten Stock verschanzt und durch die Jalousien auf den Weg hinuntergeschaut. Es waren noch zwölf Stunden bis zur Übergabe um neun Uhr früh. Oder besser gesagt, noch drei Stunden. Aber nicht dass du glaubst, die Übergabe vorverlegt. Sondern der Brenner war nach diesem furchtbaren Tag und der schlaflosen Gefängnisnacht und dem Gespräch mit dem Knoll und der Begegnung mit der Südtirolerin und der Flucht aus dem Cafe Liliputbahn und dem Ausflug nach Klosterneuburg so wahnsinnig erschöpft, dass er über dem Gedanken eingeschlafen ist, dass er hier auf keinen Fall einschlafen darf.
    Jetzt was hat der am Abend noch in Klosterneuburg zu suchen gehabt? Du musst wissen, wie der Bankdirektor Reinhard den Brenner am Nachmittag angerufen hat, ist es um einen Termin in Klosterneuburg gegangen, sprich: »Könnten Sie sich vorstellen, mich heute um zwanzig Uhr in meinem Domizil zu besuchen?«
    Weil »Domizil« und »Refugium«, so hat der Reinhard sich eben ausgedrückt, aber die gepolsterten Ausdrücke haben gut zu seiner Gesamterscheinung gepasst. Neben der Bankzentrale und zwei, drei Restaurants waren das die wichtigsten Adressen für seinen Fahrer, das Domizil in Klosterneuburg und das Refugium im Imperial. Im Domizil hat er in der Nacht geschlafen, im Refugium hat er am Tag geschlafen. Weil wenn du heute einen Konzern mit zehntausend Mitarbeitern leitest, musst du aus der Erholungsphase alles herausholen, sonst kannst du gleich einpacken.
    Zuerst war der Brenner sogar froh, dass er am Abend noch etwas zu tun gehabt hat, weil dreizehn Stunden in einem Schrebergartenhaus auf eine Übergabe warten ist auch nicht so interessant. Aber wie er dann mit dem Reinhard vor seinem Domizil gestanden ist, hat er sich gefragt, was er hier zu suchen hat. Der Reinhard hat so getan, als wäre von einem Job als Fahrer nie die Rede gewesen, und er war nur daran interessiert, dass der Brenner ihm noch einmal haarklein erzählt, wie die Entführung auf der Tankstelle vor sich gegangen ist.
    Er hat den Brenner zu einem gemütlichen Plätzchen im Garten gebracht und telefonisch Getränke im Haus bestellt. Und ob du es glaubst oder nicht, herausgebracht hat die Getränke der Obersenatsrat Stachl. Weil bei den Sensationen und Skandalen sind sie alle gleich, die Kleinen wie die Großen, sie möchten möglichst aus erster Hand wissen, wie es genau gewesen ist. Der Reinhard hat den Brenner wenigstens in Ruhe erzählen lassen, aber der Obersenatsrat hat ihn immer wieder unterbrochen. Der wollte es ganz genau wissen. Aber genützt haben ihm seine Fragen auch nichts. Weil vom Knoll und von der geplanten Übergabe im Schrebergartenhaus hat der Brenner natürlich nichts erwähnt. Da hätte der Obersenatsrat Stachl schon ein bisschen freundlicher sein müssen, statt nur missmutig unter seinen buschigen Augenbrauen herauszuglotzen, als wäre ihm schon lange nichts Lästigeres mehr passiert als diese Kindesentführung im Umfeld seines Stadtentwicklungsprojekts.
    Der Brenner hat ihnen so lange genau das erzählt, was sie schon gewusst haben, bis ihnen langweilig geworden ist. Dann hat der Bankdirektor ihn wieder zu seinem Mondeo begleitet und ihm zum Abschied aufmunternd auf die Schulter geklopft, sprich: Es wird schon wieder bergauf gehen. Und in letzter Sekunde hat er noch in seine Jackentasche gegriffen und dem Brenner ein Kuvert in die Hand gedrückt. »Vielleicht hilft Ihnen das ein bisschen.«
    Beim Aufwachen im Schrebergartendachboden hat der Brenner das Kuvert immer noch in der Hand gehalten. Nach dem Kuvert mit dem letzten Monatsgehalt, das ihm die Natalie mitgebracht hat, war das jetzt schon das zweite Geldkuvert an einem Tag, und dem Brenner ist langsam vorgekommen, dass er wirklich der Entführer ist, dem das Lösegeld in Raten ausgezahlt wird.
    Aber interessant. Er hat nicht nur das Kuvert beim Aufwachen noch in der Hand gehabt, sondern er hat auch den Gedanken, dass er hier auf keinen Fall einschlafen darf, immer noch im Hirn gehabt. Und dieser Gedanke ist der beste Beweis dafür, dass das wache Gehirn oft gar nicht am besten denkt. Weil dass er hier auf keinen Fall einschlafen darf, diesen Rat hätte ihm auch jeder blutige Laie geben können, quasi schwerer Fehler, und man darf nie am Ort der Übergabe einschlafen, wo die Gangster vielleicht früher auftauchen und den Brenner umbringen. Aber du darfst eines nicht vergessen. Genau das war die große Stärke vom Brenner. Der

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