Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld
Österreichischen Gesellschaft für Literatur einen Vortrag; am 16. bin ich vormittags in der Universität, am Nachmittag mit Buchhändlern und auch am Abend mit Buchhändlern zusammen. Falls Sie am Freitag, den 16., in Wien sind und an einem Abendessen mit Buchhändlern teilnehmen wollen, so wäre das sehr schön. Ich würde mich wirklich freuen.
Am 17. Mai fliege ich nach Frankfurt zurück, um am 20. zur Aufführung wiederzukommen und auf dem Rückweg in Stuttgart Station zu machen.
Ich hoffe sehr, daß wir uns sehen. Bitte senden Sie mir eine Zeile.
Herzliche Grüße
Ihr
[Siegfried Unseld]
[315; Telegramm]
Ottnang
30. 4. 75
mein flug mit manus tagsueber mittwoch oder donnerstag naechster woche was passt ihnen besser herzlichst
bernhard
[316; Anschrift: 〈Ohlsdorf〉; Telegrammnotiz]
Frankfurt am Main
30. April 1975
Treffen Donnerstagnachmittag, 8. Mai möglich. Erbitte Anruf bei Frau Zeeh.
Ebenfalls Treffen möglich, 15., 16. oder 20. Mai in Wien, Brief unterwegs. 1
Herzlichst, S. U.
1 Das Treffen findet in Wien statt. S. U. notiert dazu in seinem Reisebericht Wien, 15.-18. Mai 1975 :
»Das war sicherlich eine der anstrengendsten, aber auch erfolgreichsten und dann wiederum angenehmsten Reisen. In Wien wird der Boden für unsere Aktivitäten eigentlich immer besser. Eine wichtige Entscheidung wurde getroffen: die Wiener Buchhändler haben wahrhaft inständig gebeten, bei der Suhrkamp-Buchwoche teilnehmen zu können, und ich ließ mich dann überzeugen, daß wir die Suhrkamp-Buchwoche in Österreich durchführen, und zwar vielleicht im Anschluß an die deutsche Buchwoche, d. h., sie wird dann am 29. September beginnen; Thomas Bernhard ist auch bereit, zu lesen, andere Vorlesungen und Aktivitäten wollen wir uns noch überlegen. [. . .]
Das [. . .] Wichtigste: Thomas Bernhard gab mir sein Manuskript ›Korrektur‹; ich habe sogleich 60 Seiten gelesen, es ist eine ganz hervorragende Sache, und es ist gar keine Frage: ein Pfeiler und Zentrum unseres Programms für das zweite Halbjahr.
Donnerstag, 15. Mai 1975, 18 Uhr:
Thomas Bernhard besuchte mich im Hotel, wir hatten ein sehr angenehmes Gespräch, er übergab mir das Manuskript und ich ihm die Scheine. Im Sturmschritt eilten wir dann zum Palais Palffy, wo mein Vortrag ›Die Aufgaben eines literarischen Verlegers heute‹ stattfand. Ich kam erschöpft und schweißgebadet an und mußte auch unter diesem schweißnassen Zeichen den Vortrag halten. Doch dieser Vortrag kam an. Ich habe selten so viele Komplimente erhalten, und zwar von kompetenten Leuten. Dr. Kraus, Dr. Berger, Buchhändler, dann Hilde Spiel, die ›fasziniert‹ zugehört hatte, Friederike Mayröcker, und am Tage danach sagte mir Thomas Bernhard, daß er ›beglückt‹ über ›seinen Verleger‹ gewesen sei. Insgesamt scheint das also gut gewirkt zu haben.
Samstag, 17. Mai 1975:
Mittagessen, ausführliches, mit Thomas Bernhard , seiner Tante, Frau Hilde Spiel und der Buchhändlerin Christl Wagner. Ein sehr sympathischer Kreis, hier diskutierten wir die Präsenz einer österreichischen Bibliothek im Suhrkamp Verlag [siehe die Anlage zu Brief 87], die Pflege von neuen Autoren; demgegenüber ist Bernhard natürlich sehr skeptisch eingestellt. (›Die entfernte Ähnlichkeit‹ von E. Y. Meyer sieht er als eine ›sehr nahe Ähnlichkeit‹ zu ihm an, wir müßten dieses ›Plagiat‹ merken und Herrn Meyer das Schreiben in dieser Form verbieten, und in jedem Fall sollten wir das nicht drucken!) In diesem Gespräch wird wieder deutlich, wie stark die Stellung von Bernhard und Handke ist; diese beiden charakterisieren im Augenblick die österreichische Literatur, jedenfalls was die jüngere Generation betrifft. [. . .]
Bernhard und Hilde Spiel schlugen vor, Alexander Lernet-Holenia in die BS aufzunehmen, und zwar möglichst mit einem Band ›Mars im Widder‹.
Thomas Bernhard machte mit Fug darauf aufmerksam, daß sein Band ›Über Thomas Bernhard‹ [siehe Briefe 87 u. 114] hoffnungslos überholt sei, ich sagte ihm einen neuen Band zu, als Herausgeber kommt Reinhard Urbach in Betracht. Bernhard war erst dagegen, dann stimmte er doch zu, vielleicht sollte man zwei Bände machen: über den Prosaiker Bernhard und über den Dramatiker, Urbach und Ernst Wendt kämen als Herausgeber in Frage.
Thomas Bernhard war sehr zuversichtlich wegen der Aufführung des ›Präsidenten‹ am Abend, freilich wollte er an ihr nicht teilnehmen, er ging zur selben Zeit ins
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