Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld
ich mit meiner Arbeit fertig werden muss, mit dem Roman im März oder April, mit den Erzählungen im Juni, Juli (wie mit Herrn Busch ausgemacht) etc.
Das Angebot, die »Verstörung« zu verfilmen, habe ich gestern endgültig scharf abgelehnt, und damit einen Haufen Geld, obwohl ein Drehbuch schon gemacht ist, Kameraleute engagiert sind, Schauplätze vorpräpariert usf., weil ich eine Verfilmung dieses Buches, das endgültig auf dem Papier steht, als Unsinn empfinde.
Unterstützen Sie also bitte meinen guten Charakter, nicht meinen schlechten.
Ich frage Herrn Braun, was mit meinem Theaterstück ist, die Bücher sollten vor einem Monat schon fertig sein, ich höre nichts, ich sehe nichts.
Ich weiss, dass »dichten« auch ein Unsinn ist, aber es ist und bleibt mir der liebste Unsinn.
Herzlich Ihr
Thomas Bernhard
[56; Anschrift: Ohlsdorf]
Frankfurt am Main
19. Dezember 1968
Lieber Herr Bernhard,
Sie haben den geschicktesten und raffiniertesten Brief geschrieben, den mir jemals ein Autor zugesandt hat. Mein Kompliment.
Ich habe mit einem Fachmann für österreichische Steuerverpflichtungen gesprochen. Keinesfalls kommen Sie in den Schuldturm, wenn Sie der Zahlungsaufforderung nicht nachkommen. Sie möchten sich bitte sogleich einen Steuerberater nehmen. Hatten Sie bisher keinen? Der soll den österreichischen Behörden klarmachen, daß Sie im Moment nicht in der Lage sind, die ganze Summe zu bezahlen, daß Sie sich jedoch für zahlungswillig im Prinzip erklären, d. h., daß Sie einen Teil der Summe am Fälligkeitsdatum überweisen. Den Rest in jeweils vierteljährlichen Abständen. Ein guter Steuerberater wird das durchbringen. Ich bin gerne bereit, Ihnen bis zum 15. Januar eine Summe von DM 2.000.— zu überweisen, damit Sie diese erste Zahlung leisten können, und zwar möchte ich Ihnen diese Summe überweisen a conto der Tantiemen für »Ein Fest für Boris«. Ich gebe dem Stück nämlich Chancen, nicht nur am Burgtheater, sondern anderswo, und wir werden uns kräftig dafür einsetzen.
Das Lektorieren ist ja so eine Sache für sich. Die Lektoren würden solche Konkurrenz mutmaßlich wenig gerne sehen.
Überschätzen Sie nicht ein wenig das Metier Film? In der Tat könnte man sich durchaus eine Verfilmung der »Verstörung« denken, und dies, ohne daß dem Werk auch nur der geringste Schaden angetan würde.
Übrigens hat die Theaterabteilung vorgestern die vervielfältigten Exemplare erhalten und sicherlich auch schon an Sie versandt. Ich bekam jedenfalls ein Exemplar, und wie ich Ihnen schrieb, halte ich »Ein Fest für Boris« für ein großes Stück, das Ihnen gelungen ist.
Herzliche Grüße
Ihr
Siegfried Unseld
1969
[57]
Ohlsdorf
2. 1. 69
Lieber Herr Dr. Unseld,
ich danke für Ihren Brief, dazu: ich habe seit Jahren den besten Steuerberater von Wien und tatsächlich hat der gute, ja ausgezeichnete Mann längst um eine Ratenzahlung meiner Steuer eingereicht, aber die Genehmigung lässt auf sich warten. Für den Fall, dass, was ich natürlich glaube, der Ratenzahlungsvorschlag genehmigt wird, sind aber für die erste Rate DM 2.000.— zu wenig, ich muss dann, am 15 ., DM 3.000.— auf der Hand haben.
Ich glaube, Sie können sich ruhig zur Aufwertung meines Theaterstücks von zweitausend auf dreitausend entschliessen.
Ich bitte um Ihre Nachricht hierher.
Ich bitte Sie ausserdem, die Geldüberweisung so einzurichten, einrichten zu lassen etc., dass ich tatsächlich am 15. Januar 1969 den Betrag in Händen habe, sonst zahle ich eine hohe Strafe und die Kuckucksrufe vergällen mir meinen Hof.
Herzlichst
Ihr
Thomas Bernhard
[58; Anschrift: 〈Ohlsdorf〉]
Frankfurt am Main
8. Januar 1969
Lieber Herr Bernhard,
dreitausend Mark werden am 15. Januar bei Ihnen sein. 1
Herzlich
Ihr
Siegfried Unseld
1 Auf der Verlagskopie des Briefs ist unter der Unterschrift der maschinenschriftliche Zusatz angebracht: »Die DM 3.000.— gelten als Vorschuß auf die Tantiemen des Stückes ›Ein Fest für Boris‹.« Auf der Rückseite des Originals findet sich in der Handschrift von Th. B. eine Aufstellung: »22. Köln / 23. Bielefeld / 24. Berlin / 25. Hannover / am 24. eine Flugkarte von Hannover nach Berlin – u. (25.) zurück! / 26. Hamburg etc.«
[59]
Ohlsdorf
12. 1. 69
Lieber Herr Dr. Unseld,
mein Dank für Ihre Initiative!
Im Oktober will ich nicht, wie mit Herrn Busch besprochen, einen Band mit unzusammenhängenden Erzählungen wie »Prosa«,
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