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Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld

Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld

Titel: Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raimund Fellinger
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aufzudecken. Wie man eine Verschwörung aufdeckt.‹
Bernhard kam am 3. August nach Frankfurt. Wir hatten ein Abendessen mit Herrn und Frau Guth, das sich bis Mitternacht hinzog.
Am nächsten Morgen fuhren Bernhard und Burgel Zeeh mit dem Intercity nach Baden-Baden. Die Unausweichlichkeit eines Zugabteils ließ die Signierung zu, die dann leichter vonstatten ging als befürchtet. In Baden-Baden wurden die beiden von Herrn Schwarz abgeholt und im Schloß Neuweier zum Mittagessen geladen.
Am Nachmittag wurde Bernhard im Brenners Parkhotel einquartiert, und er schätzte diese Umgebung, dieses Hotel und war in bester Stimmung, so daß er am Abend, als ich eintraf, bereits 750 Bogen signiert hatte. Burgel Zeeh kann berichten, welche Scherze er sich da geleistet hat: manchmal lauteten die Unterschriften Thomas Mann, Thomas von Aquin, Thomas Bernhold, Heimito von Doderer, Thomas Unseld, und einmal entstand eine karikierende Zeichnung.
Am Abend war er in guter Form. Warum soll man sich immer verweigern, man kann sich auch etwas vornehmen und dies dann machen.
Verstört war er über die Nachricht, daß der Residenz Verlag nach Aussagen von Herrn Jung seine Prosaarbeiten in der Interpunktion nach Duden eingerichtet habe. Das ergab bei ihm einen Ausfall gegen den Stumpfsinn dieses Verlages […]. In keinem Fall wünsche er das, er hätte dies auch nie geduldet, freilich habe er diese Bücher nie mehr gelesen.
Am Morgen des 5. August kam er wieder auf diese Sache zu sprechen. Sie hätte ihm Schlaflosigkeit eingegeben, so habe er sich geärgert. Keinesfalls wünsche er eine solche Vereinheitlichung, beim Drama wünsche er sowieso keine Interpunktion, aber auch bei seiner Prosa wünsche er die Interpunktion so gesetzt, wie er dies mache. Das sei unablässig für den Rhythmus, für die Struktur seiner Prosa, die musikalischen Gesetzen gehorche. Aber er verschließe sich auch nicht, wenn wir ihm nach Berücksichtigung dieser Fakten einen Fehler nachweisen.
Von Burgel Zeeh assistiert, signierte er dann die letzten Bogen.
[…] Wir trafen uns in Straßburg, wo Bernhard sich gut gelaunt das Straßburger Münster anschaute, ein wenig die Altstadt und sich meine kleinen Straßburg-Expektorationen gefallen ließ: daß der Weiterbau des Münsters ohne die Ulmer Baumeister nicht möglich gewesen wäre, die Geschichte mit dem Kessel Hirse, den die Schweizer zur Siegesfeier in 17 Stunden zu Schiff auf Limmat, Aare und Rhein warm nach Straßburg gebracht haben (Fischarts, ›Glückhafft Schiff von Zürich‹). Luther, der Bundschuh und die revolutionierenden Elsässer Bauern, das Haus, in dem Claude-Joseph Rouget de Lisle das Lied komponierte ›Chant de guerre pour l’armée du Rhin‹, das später zur Marseillaise und zur französischen Nationalhymne wurde.
Rückfahrt über Baden-Baden zum Sheraton-Hotel, wo wir, wie vorgesehen, um 20.30 h auf die Minute hin eintrafen. ›Alles stimmte, alles war großartig‹, meinte Thomas Bernhard.«
    2    Der Band 1000 der suhrkamp taschenbücher steht im Mai 1984 an.
    3    Burgel Zeeh gibt in ihrem maschinenschriftlichen Bericht Reise mit Thomas Bernhard, 4. bis 5. August: Baden-Baden / Straßburg die mündlichen Aussagen von Th. B. zu diesen Büchern wieder: »Sein nächstes Buch heißt ›Eigernordwand‹ (in einem Wort geschrieben), ca. 60 Seiten. Gerade zwei Tage vorher hatte er in einer Zeitung gelesen, daß man das 100. Jubiläum der Besteigung der Eigernordwand begangen habe. Es ist die Geschichte eines Mannes, der die Eigernordwand bezwingen will, und daraus ergeben sich dann für die Familie Schwierigkeiten und Katastrophen.
Danach soll ›Auslöschung‹ erscheinen, im Herbst, das sei ein Herbsttitel, auslöschen. Aber hier hat er einige Schwierigkeiten. Im Text wird wohl Frau Maleta, wie auch immer, beschrieben, vor allen Dingen der Ort Wolfsegg. Das sei zu auffällig, aber er könne dieses Wolfsegg mit keinem anderen Namen verändern, er habe das schon versucht. Das will er also noch etwas ruhen lassen.«
    4    S. U. zitiert aus Bertolt Brechts Dreigroschenoper . Die Reaktion von Th. B. auf diese Pläne hält Burgel Zeeh in einer Telefonnotiz vom 11. August fest: »Er habe heute Ihren Brief bekommen, für den er dankt, ob ich ihn kenne? Der Plan sei großartig, aber er wolle nochmals darübergehen und dann antworten.«
    5 S. U. spielt auf den rekurrenten Ausspruch von Zirkusdirektor Caribaldi in Die Macht der Gewohnheit an sowie auf den von Th. B. während der Fahrt nach

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