Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld
Umweltverschmutzer in diesem Lande«; siehe Th. B.: Werke 7 , S. 160.]
Ich entwerfe einen Brief an den österreichischen Buchhandel. Wir wollen kämpfen, wir wollen uns für dieses Buch einsetzen, aber hat der österreichische Buchhandel dafür Verständnis? […]
31. August: Am Vormittag noch Diskussion einer Schutzschrift, die Volhard erarbeitet und dem Frankfurter Landgericht einreicht.
Telefonat mit dem Buchhändler aus Reichenhall, ›Österreicher stürmen‹ seine Buchhandlung, und er hat keine Exemplare mehr. Er holt sie in der Nacht bei unserer Buchbinderei Klotz in Augsburg ab. […]
Welche Tage, welche Anspannung, welche Konzentration. Erst allmählich begreife ich, daß ich zum ersten Mal in ein Strafverfahren verwickelt bin. Dr. Sieger, der aus seinem Urlaub zurückkam und mit dem ich noch telefonierte, gibt mir keine Hoffnung, daß der Prozeß in Österreich gewonnen werden könnte, eher in Deutschland. Verliere ich diesen Prozeß, so bin ich ›vorbestraft‹.«
2 Die Anlagen haben sich nicht erhalten. Auf dem Durchschlag des Briefes ist am Rande des ersten Absatzes handschriftlich das Zeichen für eine negative Antwort angefügt, am Rande des zweiten Absatzes »erl[edigt].«.
In einem Brief des ORF an den Suhrkamp Verlag vom 4. September 1984 fragt Georgia Hölzel von der Abteilung Honorare und Lizenzen bei Helene Ritzerfeld an, ob für eine Ausstrahlung von Der Schein trügt die Rechte für Österreich inklusive Südtirol verfügbar seien. Helene Ritzerfeld notiert handschriftlich in der rechten oberen Ecke des Briefes: »Könnte Hr. Unseld beim nächsten Telefonat Thomas Bernhard fragen?«
Am 7. September kommt es zu einem Telefonat zwischen Th. B. und Burgel Zeeh, das diese in einer Telefonnotiz festhält:
» Entweder kommt er nach Venedig, oder nach Frankfurt. Beides kann er nicht. Er sei ja schließlich herzkrank, und beides zusammen könne er nicht unternehmen. Er müsse selbst auf sich aufpassen!
Und Venedig: da ginge er sowieso nicht gerne hin, die Luft, außerdem hätten Sie da doch sowieso alle um sich, die Sie um sich haben wollten, also käme er doch lieber nach Frankfurt, da hätten Sie ihn dann auch und außerdem sei das sehr viel sinnvoller, da könnte er ja etwas tun.«
Bei der Geburtstagsfeier von S. U. am 28. und 29. September in Venedig sind die Autoren Max Frisch, Peter Handke, Wolfgang Koeppen und Martin Walser anwesend.
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Ohlsdorf
12. 9. 84
Lieber Doktor Unseld,
nach einem Brief von Dr. Perner, den ich gerade gelesen habe, erscheint es mir richtig, Ihnen den beigelegten von mir an Sie, zu schicken. Nun haben Sie das einmal gewünschte Dokument, dass die Auersberger nicht die Lampersberger sind, in Händen. Es ist ja diese Tatsache auch die einzig richtige.
Ich fliege Dienstag nach Bochum, wo ich einmal übernachte. In Frankfurt unterbreche ich zwischen 11.45 h und 13 h auf dem Flugplatz. Vielleicht haben Sie eine halbe Stunde Zeit. 1
Herzlich
Thomas B.
Möglicherweise ist der Dr. Perner als gemeinsamer Anwalt, der jetzt schon »vertraut« ist mit der Sache, gut. Ich entscheide mich aber erst im letzten Moment. 2
[Anlage; Brief von Th. B. an S. U.]
Ohlsdorf
12. 9. 84
Lieber Doktor Unseld,
die Beschlagnahme meines »Holzfällen« durch den österreichischen Staatsapparat, kann ich nur als Ungeheuerlichkeit bezeichnen, die tatsächlich in der Nachkriegsgeschichte dieses Landes beispiellos ist und mir grössten Schaden zufügt.
Bis heute habe ich über alle mit dieser Beschlagnahme in Zusammenhang stehenden gerichtlichen Vorgänge und Verfügungen lediglich aus den Zeitungen und aus dem Rundfunk erfahren, nicht ein einziges Wort von seiten eines österreichischen Gerichts. In einem Wiener Journal musste ich gestern lesen, dass von Herrn Lampersberg gegen mich Anklage erhoben und eine erste Hauptverhandlung gegen mich für den 23. Oktober anberaumt worden sei. Nachdem schon über zwei Wochen fortwährend von einer Anklage gegen mich die Rede ist, wie ich wiederum nur den Zeitungen entnehme, glaubte ich, wenigstens an meinem Hauptwohnsitz in Ohlsdorf irgendein gerichtliches Wort vorzufinden. Aber wie gesagt, hat mich bis heute kein Gerichtswort erreicht. Wie Herr Dr. Perner mir heute schreibt, konnte eine Gerichtsverfügung an mich nicht zugestellt werden, weil das Gericht »meine genauen Anschriften nicht zur Verfügung hat«. In einem Staat, in dem mehr oder weniger alle Daten bekannt und gespeichert sind, ist der Umstand, dass man die
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