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Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld

Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld

Titel: Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raimund Fellinger
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Adresse eines seiner bekanntesten Schriftsteller wochenlang nicht finden kann, mehr als merkwürdig.
    Zu einer möglichen Klage des Herrn Lampersberg muss ich in aller Deutlichkeit und mit Entschiedenheit sagen, dass das Ehepaar Auersberger in meinem »Holzfällen« mit dem Ehepaar Lampersberger (ich habe das Ehepaar Lampersberg immer nur als Lampersberger gekannt!) überhaupt und also in gar keinem Fall identisch ist. Mein Buch ist ein Kunstwerk, wenn Sie wollen, ein sogenanntes »Sittenbild« und ich habe darin nicht über die Eheleute Lampersberger sondern über die Eheleute Auersberger geschrieben. Ein Buch über die Eheleute Lampersberger wäre ein vollkommen anderes und ich hatte und habe nicht die geringste Absicht, ein solches Buch zu schreiben. Wie ich selbst mich in Büchern von Dostojewski oder von Tolstoi erkenne, mögen sich Andere in meinen Büchern erkennen, aber das ist und kann nicht Gegenstand einer gerichtlichen Klage sein.
    Ich bin in meinem Leben nicht oft auf eine solche furchtbare Weise deprimiert gewesen wie in dem Augenblick, in welchem ich mit eigenen Augen habe mitanschauen müssen, wie meine »Holzfällen«-Bücher aus den Auslagen der Wiener Buchhandlungen entfernt wurden. Mit Polizeigewalt entfernt zu werden, ist tatsächlich eine Fürchterlichkeit; wenn die Polizei Bücher aus den Auslagen räumt und Buchhändler und Leser mit ihrem rücksichtslosen Auftreten einschüchtert, lässt das nichts Gutes ahnen. In diesen Staat kann ich naturgemäß kein Vertrauen mehr setzen. Ganz abgesehen von dem materiellen Schaden, der mir durch die gerichtliche Massnahme zugefügt worden ist, bin ich durch diese brutale Massnahme um eine entsetzliche Erfahrung diesen meinen Staat betreffend, reicher. Die Urheber dieser Massnahme, die namentlich weder direkt noch indirekt in meinem Buch vorkommen und in meinem Buche auch gar nichts zu suchen hätten, haben tatsächlich völlig unverantwortlich und so, als hätten sie, wie gesagt werden muss, einen Skandal gesucht, gehandelt.
    »Holzfällen« ist mein Versuch, in meiner Kunst weiter zu kommen, nichts anderes. Die gerichtliche Massnahme und der daraus urplötzlich entstandene Skandal, haben ihm nur geschadet.
    Mit herzlichen Grüssen Ihr
    Thomas Bernhard
    1   Die Begegnung kommt nicht zustande.
    2   In dem Brief vom 10. September 1984 setzt Hans Perner Th. B. – unter Beilage u. a. des »Gutachtens« von Hans Haider zu Holzfällen und der Einstweiligen Verfügung – über den Stand der gerichtlichen Auseinandersetzung um Holzfällen in Kenntnis. Er habe von S. U. die Vertretungsvollmacht erhalten und frage an, ob Th. B. ihm diese ebenfalls erteilen wolle: »Ich werde auf jeden Fall für den Suhrkamp Verlag eine Beschwerde an das Oberlandesgericht Wien einbringen, doch kann ich dies erst dann tun, wenn ich weiß, wie Sie sich zu den gerichtlichen Schritten des Herrn Lampersberg stellen.«

[470; Anschrift: Ohlsdorf]
     
    Frankfurt am Main
    19. September 1984
    Lieber Thomas Bernhard,
    die Sonderausgabe der »Korrektur« ist erschienen. Wir liefern das Buch am 20. September an den Buchhandel aus. Ein Vorausexemplar schicke ich Ihnen zu. Falls Sie weitere Freiexemplare wünschen, melden Sie sich bitte.
    In Sachen der »Erregung« gibt es keine neueren Wendungen. Ich habe die Klageschrift immer noch nicht. Aber wir haben jetzt das Papier eingekauft für das sechzigste Tausend! 1
    Herzliche Grüße
    [Siegfried Unseld]
    1   In der Chronik hält S. U. unter dem Datum des 5. September fest:
»In all diesen Tagen große Wellen in der Sache der Beschlagnahme Thomas Bernhard. Es ist doch so, daß eine Mehrheit die Beschlagnahme nicht gut findet. Laufend Notizen. Es wird ein Dossier Bernhard geben, das die Entwicklungen festhält. Ich schreibe einen Brief an die Buchhändler des österreichischen Sortiments; der Brief wird nicht nur im ›Börsenblatt des Deutschen Buchhandels‹ [Nr. 73, 11. September 1984, S. 2121f.], sondern auch im ›Österreichischen Börsenblatt‹ abgedruckt.
Wir stellen 50 österreichischen Bibliotheken ein Frei-Exemplar von Bernhard, ›Holzfällen‹ zur Verfügung, denn es darf ja ausgeliehen, nur nicht verkauft werden.«
Während der Frankfurter Buchmesse 1984 äußern sich Th. B., S. U. und Rechtsanwalt Ferdinand Sieger im Rahmen einer Pressekonferenz zur Beschlagnahme (siehe Abb. 13); S. U. notiert in der Chronik :
»4. Oktober: Morgens um 9.30 h Pressekonferenz Bernhard. Mir fiel glücklicherweise ein, daß

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