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Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld

Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld

Titel: Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raimund Fellinger
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»Mist«. Ich bin überzeugt, die Dinge nehmen zumindest letztlich eine gute Wendung.
    Frau Strausfeld wird sich Mittwoch oder Donnerstag bei Ihnen melden. Für den Fall, daß Sie irgendeine Hilfestellung brauchen, gebe ich Ihnen aber hier ihre Adresse und Telefonnummer:
    Dr. Michi Strausfeld
    Jiloca 8, 5 izq.
    E-28016 Madrid
    Telefon: 259 72 36
    Herzliche Grüße
    Ihr
    [Siegfried Unseld]
    Anlage
    [Anlage; Brief per Einschreiben von S. U. an Dr. Gottfried Berger; Anschrift: Fa. Robert Mohr, Singerstr. 12, 1010 Wien]
    Frankfurt am Main
    14. November 1984
    Lieber Herr Berger,
    ich muß Ihnen heute die Mitteilung machen, daß der Suhrkamp Verlag für einen unbestimmten Zeitraum keine Bücher von Thomas Bernhard an Sie oder österreichische Buchhandlungen liefern wird. Ich folge bei dieser Anordnung einem Wunsch des Autors. Ich habe ihm erklärt, daß ich seine Überlegungen nicht billige, daß ich aber seinen aus Selbstschutz getroffenen Wunsch verstehen kann.
    Die österreichische Justiz hat Thomas Bernhard in skandalöser Weise behandelt, dies im Formalen, in der dauernden Verzögerung der Beantwortung unserer Widersprüche und Beschwerden, im Aufschieben des Prozesses auf unbestimmte Zeit, aber auch in der Sache selbst. Die österreichische Justiz hat sich bis jetzt geweigert, den Fall unter den Auspizien eines Kunstwerks und damit unter der in der österreichischen Staatsverfassung verankerten Freiheit der Kunst zu betrachten. Was die Richterin an diesem einzigen Prozeßtag ausführte: »es ist mir egal, ob es ein Kunstwerk oder Mist ist«, ist einfach ungeheuerlich. Thomas Bernhard wäre, wie er selbst betonte, bei jahrelang sich hinziehenden Prozessen nicht mehr in der Lage, neue Werke zu schreiben. In diesem Punkt muß ich mich mit ihm solidarisch fühlen. Ich bitte Sie deshalb, meine Regelung zu verstehen. Ich werde versuchen, sie zum raschest möglichen Termin im Einvernehmen mit dem Autor zu ändern.
    Selbstverständlich werden Sie die bis heute von Ihnen bezogenen Bücher von Thomas Bernhard in gewohnter Weise ausliefern. Wir werden von uns aus im Sinne dieser Regelung von nun an keine Bestellungen mehr nach Österreich ausführen können.
    Die im Residenz Verlag erschienenen Bücher dürfen, wie mir Thomas Bernhard heute wieder telefonisch bestätigte, nicht mehr neu aufgelegt werden – sie werden in Kürze ausverkauft sein. Die zeitlich befristeten Lizenzverträge mit dtv werden ebenfalls nicht mehr verlängert werden.
    Warten wir jetzt einige Zeit ab. Vielleicht ereignet sich doch noch einmal das Wunder bei der österreichischen Justiz. Sobald alles klar ist, werde ich mich noch einmal in einem Brief an das österreichische Sortiment wenden.
    Noch einmal: ich bitte Sie um Verständnis für meine Haltung und bin – mit freundlichen Grüßen —
    Ihr
    Siegfried Unseld

1985
     

[477; Anschrift: Wien]
     
    Frankfurt am Main
    7. Januar 1985
    Lieber Thomas Bernhard,
    am Sonntag, dem 27. Januar, könnte ich nach Wien kommen – Sie hätten mich vom frühen Abend an; am Montag muß ich dann von Wien aus nach Hamburg reisen. 1
    Ist dieser Sonntag ein Tag, an dem wir uns sehen und sprechen können? 2
    Herzliche Grüße
    Ihr
    [Siegfried Unseld]
    1   In Hamburg findet zum Erscheinen der ersten Bände des Deutschen Klassiker Verlags eine Präsentation für Buchhändler statt, bei der Albrecht Schöne über Goethes Faust spricht.
    2   Zu Beginn des Jahres 1985 stellt sich die Prozeßsituation in Sachen Lampersberg gegen Bernhard wie folgt dar (siehe ausführlich Th. B.: Werke 7 , S. 209-240): Am 21. Dezember 1984 hebt das Oberlandesgericht Wien die Beschlagnahmeanordnung zu Holzfällen auf – mithin ist der Roman wieder in Österreich erhältlich. Anhängig sind weiterhin drei Klagen von Lampersberg gegen Bernhard wegen übler Nachrede und Verleumdung. Die erste datiert vom 27. August 1984 und bezieht sich auf Textpassagen des Romans (siehe Anm. 1 zu Brief 468); die zweite resultiert aus einer schriftlichen Stellungnahme von Th. B. anläßlich der Hauptverhandlung gegen ihn (am 9. November 1984), die am 15. November 1984 in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung unter dem Titel Bernhards Plädoyer erscheint und in der er behauptet, Gerhard Lampersberg sei »in den letzten Jahren immer, wie ich weiß, teilentmündigt gewesen«; die dritte Klage stützt sich auf den Wiederabdruck dieses Artikels im Wiener , Nr. 56, Dezember 1984, unter der Überschrift Die Abrechnung: Thomas Bernhard, dessen

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