Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld
›Holzfällen‹ Anfang September beschlagnahmt wurde, schreibt über seinen Prozeß .
Mit der Orts- und Datumsangabe »Wien 8. 1. 85« hat sich im Thomas-Bernhard-Archiv das Original eines Briefes von Th. B. an S. U. erhalten, den er aber nicht abgesendet hat:
»Lieber Siegfried Unseld,
nach Aufhebung der Beschlagnahme von ›Holzfällen‹ sehe ich hier wieder die ›Holzfällen‹-Exemplare in den Wiener Buchhandlungen mit größter Abneigung.
Die Aufhebung der Beschlagnahme meines Buches ist ja eine Selbstverständlichkeit und hat mit meiner Entscheidung, dass ich in Österreich keines meiner Bücher mehr in irgendeiner seiner Buchhandlungen zum Verkauf sehen will, nichts zu tun. Ich hoffe, Sie respektieren den Ernst, mit welchem ich absolut niemals mehr und also solange ich lebe, keines meiner Bücher mehr zum Verkauf in Österreich sehen will. Ebenso will ich in alle Zukunft keines meiner Theaterstücke mehr in Österreich aufgeführt haben. Wenn der Salzburger Vertrag [über die Uraufführung von Der Theatermacher bei den Salzburger Festspielen 1985] erfüllt ist, wird es von mir kein Theaterstück mehr in Österreich geben.
Ich weiss, dass, was die Bücher betrifft, ich voll und ganz von Ihrem Willen abhänge. Auch sogenannte ›Schlupflöcher‹ sollte es nicht geben.
Ich werde erst wieder ein Buch veröffentlichen, wenn ich die Garantie habe, dass Österreich vollkommen ausgeschaltet ist. Es ist mein Land, aber es ist kein Staat für mich.
Im Übrigen arbeite ich gegen alle Widrigkeiten wie immer, mit der größten Intensität und Freude.
Herzlich Ihr
Thomas Bernhard«
Den Vorschlag von S. U. greift Th. B. auf, es kommt am 27. Januar 1985 in Wien zum Treffen; im Reisebericht Wien-Hamburg, 27.-29. Januar 1985 heißt es dazu:
» Thomas Bernhard . Blendender Stimmung einerseits; er konnte arbeiten, Wien sei produktiv für ihn. Ende März möchte ich noch einmal kommen, er würde mir dann das Manuskript seines nächsten Romans ›Alte Meister‹ übergeben.
Ich übergab ihm in bar einen Teil seines Honorars.
Er hätte gerne ›Minetti‹ in der Bibliothek Suhrkamp gesehen, und zwar einschließlich der drei neuen Szenen, die er geschrieben habe: ›Kompetent‹. ›Inkompetent‹. ›Fatal‹.
Dann läge ihm doch sehr an einem Band ›Goethe schtirbt‹. Er enthielte die Texte ›Goethe schtirbt‹. – ›Wiedersehen‹. – ›Montaigne‹. – Und zwei Stücke, die noch keinen Titel haben. Er erwähnte nicht die BS, aber natürlich wünscht er dies, doch ich zögere, diese Texte in der BS aufzunehmen. [ Goethe schtirbt wurde für die Bibliothek Suhrkamp nicht verwirklicht; zur Entstehungs- und Veröffentlichungsgeschichte von Goethe schtirbt , Wiedersehen und Montaigne siehe Nachwort zu Th. B.: Werke 14 , S. 571f. und 591.]
Glücklich war er über die Ausgabe ›Beton‹ in der BS, die ich ihm mitbrachte.
Und dann rückte er mit einer anderen Bitte heraus. In einem Plastikbeutel hatte er mitgebracht das Buch von Johannes Freumbichler, ›Auszug und Heimkehr des Jodok Fink. Ein Buch vom Abenteuer des Lebens‹. Freumbichler ist der Großvater von Thomas Bernhard, der bis zu seinem 17. Lebensjahr Vaterstelle an ihm vertreten hat. Bernhard hängt sehr an diesem Großvater. Wir haben das schon einmal vor zehn Jahren diskutiert, und ich habe das Buch auch in meiner Bibliothek. Damals konnte ich mich nicht entschließen, es herauszugeben. Ein anderes Buch von Johannes Freumbichler, ›Philomena Ellenhub‹, ist inzwischen bei dtv erschienen. Wir sollten jetzt aber doch im Lichte des noch berühmteren Enkels die Frage neu überlegen. Als ich ihn darum bat, er möchte ein Portrait seines Großvaters schreiben, stimmte er dem zu. Er schätze das Buch, wenn es auch verständlicherweise nicht seine Literatur sei. […]
Das war das Einerseits. Das Andererseits: er fühlte sich nach wie vor betroffen von den Prozessen. Er habe für zwei Prozesse 12 Vorladungen bekommen, erst nach Ohlsdorf und dann nach Wien (Rechtsanwalt Perner fragte dann Richterin Klatt, sie sagte, sie habe ganz sichergehen wollen, daß Thomas Bernhard diese Vorladung erhielte!), wogegen sich Bernhard ›kriminalisiert‹ fühlte. […]
Wir sprachen dann über einen Band mit dem Arbeitstitel ›Der Prozeß‹. Hier sollten die Dokumente zusammengetragen werden, das Ganze müsse freilich von einem genialen Burschen gemacht sein, damit der Band auch Pep hätte und nicht nur eine Sammlung von Dokumenten beinhalte. Gefragt ist nach der Art
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