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Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld

Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld

Titel: Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raimund Fellinger
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kommt es zum Fernsehinterview Drei Tage . »Im Sommer 1970 hatte ich mich nach tagelangem, schließlich zu einer höchstpersönlichen Groteske gewordenem Suchen nach einem dafür geeigneten Schauplatz bedingungslos auf eine weißgestrichene Bank in einem Hamburger Vorortepark gesetzt, um, wie verabredet, vor dem Regisseur Ferry Radax eine Reihe mich betreffender Sätze zu sagen [. . .]. Die Tatsache aber, daß ein Film gemacht wird, in welchem meine Person fünfundfünfzig Minuten ununterbrochen zu keinem anderen Zweck auf einer weißgestrichenen Bank in einem Hamburger Vorortepark sitzt, um die ganze Zeit zu sagen (oder nicht zu sagen), was ihr gerade einfällt [. . .] und die Tatsache, daß der daraus gemachte Film schließlich zu akzeptieren gewesen ist, hat ganz unmittelbar zu der Idee geführt, [. . .] einen längeren und das heißt mindestens eineinhalb Stunden langen Film zu schreiben [. . .].« (Th. B.: Werke 11 , S. 259; Erstveröffentlichung in: Der Italiener , 1971.)
Die Erstausstrahlung der Drei Tage erfolgt im Westdeutschen Fernsehen am 17. Oktober 1970, dem Tag der Verleihung des Georg-Büchner-Preises an Th. B. Der Wiedergabe des Wortlauts der Bernhardschen Äußerungen hat der WDR, Abteilung Kultur – Redaktion Literatur ( Thomas Bernhard. Drei Tage. Ein Porträt von Ferry Radax , o. O., o. J.), Bemerkungen über den Film vorangestellt: »Die Regie sah es von vornherein als wichtigste Aufgabe an, die eine vorgegebene Situation (Thomas Bernhard, auf einer Bank sitzend, redend) wiederzugeben. Der jeweilige Abschnitt eines ›Monologs‹ wird in einer, unveränderten Einstellung wiedergegeben. Die Veränderung des Bildausschnitts markiert zunächst nur einen neuen gedanklichen Abschnitt; im Verlauf wird dann eine zweite Absicht erkennbar: der Versuch, die vorgegebene Situation durch ungewohnte, manchmal extreme Bildausschnitte nach und nach gleichsam in ihre möglichen Einzelaspekte zu zerlegen und sie so jeweils neu zu distanzieren. Ein zweites Gestaltungsmittel ist das allmähliche Sichtbarmachen der Gegensituation des Autors – der Seite der technischen Apparatur (Scheinwerfer, Tonbandgerät, Kamera, Videorecorder, das Aufnahmeteam). Auf diese Weise soll der Entstehungsprozeß des Films durchschaubar gemacht werden; gleichzeitig geht es darum, dem Zuschauer bewußt zu machen, daß die technisch ermöglichte Reproduktion scheinbar ›natürlicher‹ Situationen und Abläufe in Wahrheit ein Vorgang von äußerster Künstlichkeit ist – von einer Künstlichkeit, die auch die stereotypen Erzählhaltungen in der Prosa Thomas Bernhards auszeichnet.« (S. IIIf.) Der Regisseur erinnert sich: »Ich war natürlich frustriert, denn was wollen Sie mit einem Mann, der eine Stunde lang regungslos auf einer Bank vor laufender Kamera sitzt, für einen Film machen? [. . .] die Kamera am 1. Tag vormittags auf 150 bis 50 Meter Distanz. [. . .] Am 2. Tag zu Mittag auf 50 bis 20 Meter [. . .]. 3. Tag: Beginn Spätnachmittag, Distanz 10 Meter, nach Einbruch der Nacht Distanz 2 Meter bis 50 Zentimeter. Ich wollte einen Ablauf vom Tag in die Nacht für die Einheit der Zeit zur Einheit des Orts und der Person.« (Radax, Thomas Bernhard und der Film , S. 210)
Th. B. schreibt ein Filmdrehbuch auf der Basis der zuerst 1964 erschienenen Erzählung Der Italiener (das Drehbuch und die Erzählung sind publiziert in: Th. B.: Werke 11 , S. 183-248). Ferry Radax dient sie als Grundlage eines gemeinsam mit seinem Kameramann Gerard Vandenberg verfaßten Drehbuchs, das, als Auftragsarbeit des Westdeutschen Rundfunks, im Winter 1971 auf Schloß Wolfsegg nahe Ohlsdorf verfilmt wird u. a. mit Rosemarie Fendel, Kurt Jaggberg und Fabrizio Jovine. (Erstsendung: 18. Oktober 1971). 1972 erhält der Film drei Adolf-Grimme-Preise, einer davon geht an Th. B. für das Drehbuch (siehe zur Entstehung von Erzählung wie Film Th. B. Werke 11 , S. 356-365). Zur Reaktion von Th. B. siehe Brief 151.
Auf dem Rückweg von Hamburg macht Th. B. am 9. Juni 1970 in Frankfurt Station. In einem Brief an Hedwig Stavianicek vom 11. Juni berichtet er: »Wie ich vorgestern mit der Bahn [. . .] durch Butzbach, kleine Ortschaft fuhr, dachte ich, also da ist Büchner eingesperrt gewesen [. . .] Und wie ich bei Unseld in seiner Wohnung zum Mittagessen ankam [. . .] redete er so herum, ob ich schon von der Akademie gehört hätte, ich wusste aber überhaupt nichts [. . .], plötzlich sagte er aber

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