Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld
ein Durchschlag der im »Suhrkamp-Theaterdienst« veröffentlichten Ankündigung des Stücks erhalten. Ein Entwurf dazu ist auf der Schreibmaschine von S. U. getippt und beruht wahrscheinlich auf Angaben von Th. B.: »Thomas Bernhard hat ein neues Stück abgeschlossen. Das neue Schauspiel trägt den Titel ›Der Ignorant und der Wahnsinnige‹. Das Stück ist in zwei Teilen angelegt (Teil I: ›In der Oper‹; Teil II: ›Bei den »Drei Husaren«‹), seine drei Hauptpersonen sind eine Diva, die ›Königin der Nacht‹, ein Industrieller und ein Psychiater. Die Uraufführung wird in der Regie von Claus Peymann und in großer Besetzung bei den Salzburger Festspielen 1972 stattfinden. Eine ausführliche Ankündigung des Stücks erfolgt im nächsten ›Theaterdienst‹. Die Textbücher liegen Mitte November vor.«
2 S. U. hält den Besuch von Th. B. am 1. und 2. September 1970 in Frankfurt mit für beide Seiten schwierigen Gesprächen in seiner Chronik fest. Unter dem Datum des 1. September heißt es:
»Thomas Bernhard in Frankfurt. Das Gespräch begann mit einem ernsten Tief. Ich legte Thomas Bernhard die Meldung aus der SDZ [ Süddeutsche Zeitung , 1. September] von heute vor, wonach er den Salzburger Festspielen 1972 die Uraufführung seines nächsten Stückes ›Der Ignorant und der Wahnsinnige‹ (in der Pressemeldung fälschlicherweise mit ›Der Intrigant und der Wahnsinnige‹ angegeben) übertragen habe. Ich sagte Thomas Bernhard, daß ich damit nicht einverstanden sei, wir hätten eine klare Absprache und die Rechte gehörten dem Suhrkamp Verlag, nur der Suhrkamp Verlag könne darüber verfügen, und wenn er handle, so nur gemeinsam mit dem Suhrkamp Verlag. Das Gespräch geriet in ein bedenkliches Tief, weil ich nicht nachgeben wollte, schließlich lenkte er ein und sicherte uns zu, daß wir den Vertrag machen könnten und daß wir auch unseren Verlagsanteil bekämen.
Danach wurde eine Reihe von Fragen besprochen, Verlagsverträge für neuere Werke, sein erneuter Darlehenswunsch auf DM 20.000.—, seine Forderung, eine Kündigungsregelung bei meinem Tod.
Wir gingen in den Verlag, dort Gespräche mit Dr. Rach, Ritzerfeld, Roser, den Lektoren Busch und Beckermann. Anschließend unterzeichnete Thomas Bernhard fünf Verträge, damit ist die kontraktliche Situation sicherlich bis Mitte 1972 geregelt.
Am Abend war er müde und zerschlagen und kehrte frühzeitig in sein Hotel zurück.
Die Rechte von Thomas Bernhard sind damit für immer für den Verlag gesichert. Wir müssen ihm auch das Gefühl geben, daß er hier im Verlag seine Heimat hat, dann wird dieser ungewöhnliche Autor weiterhin produktiv bleiben.«
Bei den fünf Verträgen handelt es sich neben dem Vertrag für Der Ignorant und der Wahnsinnige um zwei Darlehensverträge (ein nachträglich ausgestellter Vertrag für das in Brüssel am 40. Geburtstag von Th. B. gewährte zinslose Darlehen über 15 000 DM, siehe Brief 147, sowie ein weiteres zinsloses Darlehen in Höhe von 20 000 DM), einen Vertrag über monatliche Zahlungen an den Autor (die Regelung vom Oktober 1969, siehe Brief 91, mit monatlichen Zahlungen in Höhe von 800 DM wird bis zum 31. August 1973 beibehalten) und einen »Zusatzvertrag«, der für den Fall des Ausscheidens von S. U. aus der Leitung des Verlags Th. B. unter gewissen Bedingungen die Möglichkeit der Kündigung sämtlicher Verträge einräumt. Unter dem Datum des 2. September fährt S. U. in der Chronik fort:
»Thomas Bernhard kam am 2. September noch einmal in den Verlag, wie vereinbart. Er sagte mir, er müsse über einen Vertragspunkt des ›Ignoranten‹-Vertrages sprechen, er hätte den Vertrag jedoch nicht mitgebracht, ich hätte aber sicherlich das Original da. Ich holte es bei Frl. Ritzerfeld, und er riß mir das Exemplar aus den Händen, strich ½ 3 [im Verlagsvertrag für Der Ignorant und der Wahnsinnige . Dieser Paragraph lautet: »Der Autor hat den Salzburger Festspielen die Uraufführung des Stücks zugestanden. Der Verlag wird in seinem Aufführungsvertrag mit dem Theater die künstlerischen und finanziellen Bedingungen regeln, die der Autor vereinbart hat. Der Verlag erhält den ihm nach diesem Vertrag zustehenden Honoraranteil.«] durch. Das empörte nun mich, und zum ersten Mal wurde ich energisch und verbat mir das und sagte ihm, ich würde gern mit ihm sprechen, aber eine einseitige Streichung eines Vertragsparagraphen sei unmöglich, und wenn er das wolle, so seien alle unsere Absprachen
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