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Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld

Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld

Titel: Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raimund Fellinger
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optimal. Mit Ihrer Entscheidung, jetzt die »Korrektur« nicht im Frühjahr 1973 veröffentlichen lassen zu wollen, bringen Sie nicht nur diese durchdachte Planung durcheinander, Sie schaden der Wirkung Ihres Werkes.
    Aus meiner Erfahrung weiß ich, daß ein neuer Roman von Ihnen, dessen Bedeutung ich ohne weiteres voraussetze, besser im Frühjahr als im Herbst erscheinen soll. Im Herbst sind alle Buchhandlungen und leider auch die Kritik zu sehr auf die rein merkantilen Objekte des Buchmarkts ausgerichtet. Ein wichtiges literarisches Buch wird vom Buchhandel wie von der Kritik in der ersten Hälfte des Jahres weit intensiver zur Kenntnis genommen, als dies im zweiten Halbjahr bei der Überfülle neu erscheinender Titel prinzipiell möglich ist. Wir haben für wichtige und gutgehende Titel geradezu die Strategie, sie im Frühjahr erscheinen und sie dann im Herbst als bekannte und renommierte Bücher vollends entfalten zu lassen. Ich erinnere Sie an die Beispiele Bachmann, »Malina«, und in diesem Jahr an Max Frischs »Tagebuch«, an Handkes »Der kurze Brief zum langen Abschied« und an Martin Walsers »Gallistl’sche Krankheit«. Alle diese Bücher erschienen im Frühjahr und hatten gerade deswegen ihre größten Verkäufe im Herbst, und wenn Sie die Anzeigen des Verlages aufmerksam studieren, so sehen Sie, daß wir etwa in der laufenden Nummer der »Zeit« nicht für die Bücher des Herbstes, sondern eben für Bücher des 1. Halbjahres 1972 werben. Für mich ist es ganz klar: Ihr Buch kommt zur größeren Wirkung, wenn wir es im Frühjahr herausgeben. Wenn Sie anders entscheiden, so ist das Ihre Sache. Ich muß Ihnen das in aller Deutlichkeit sagen.
    Zu den anderen Punkten brauche ich nur kurz Stellung zu nehmen. Eine Dokumentation zu den Vorgängen im Salzburger Landestheater möchte ich nicht veröffentlichen; die subjektiven Merkmale dieses Vorganges lassen sich nicht klar objektivieren.
    Über das neue Stück wollten Sie während Ihres Frankfurter Hierseins Anfang November mit Dr. Rach und mir sprechen. Ich nehme an, daß dieses Gespräch jetzt mit Dr. Rach stattfinden kann.
    Mit Hilde Spiel sprach ich kurz während der Büchner-Preisverleihung an Canetti. Sie trug mir die Idee des österreichischen Preises für Sie vor, und ich sagte ihr, daß ich, sobald ich Sie Anfang November sehe, mit Ihnen darüber sprechen würde.
    Es tut mir leid, daß wir Sie von der Aufnahme des »Boris« in »Spectaculum« nicht informiert haben; das ist ein Fehler, wenn ich auch annehmen mußte, daß Ihnen eine Aufnahme (selbstverständlich eines richtigen Textes) nur lieb sein mußte. Wir wollen im übernächsten »Spectaculum«, also für Nr. 19 im Herbst 1973, den »Ignoranten« aufnehmen.
    Über den Auswahl-Band schrieb ich Ihnen bereits. Ich würde vorschlagen, ihn, wie damals mit Ihnen vereinbart, entweder im 1. oder im 2. Halbjahr 1974 herauszugeben.
    Gerne gebe ich Ihnen eine Übersicht über die materielle Kontenlage, dies um so mehr, als Sie daraus doch auch das Engagement des Verlages für den Autor Thomas Bernhard entnehmen können. Die Aufstellung entspricht in den Punkten exakt denen meines Briefes vom 2. August 1972.
    Ich würde mich freuen, wenn es bei unserer Absprache über die Ablieferungstermine der Manuskripte bliebe. Noch einmal: für die »Korrektur« ist das Frühjahr der bessere Erscheinungstermin. Um das von uns aus möglich zu machen, muß jedoch Herr Dr. Rach das Manuskript mitbringen. Sollte dies nicht der Fall sein, kann und darf dann das Manuskript im 1. Halbjahr 1973 nicht mehr erscheinen, da wir dann die Ankündigung abgeschlossen und die Akzente des Programms gesetzt haben. Wenn Sie Herrn Dr. Rach das Manuskript »Korrektur« übergeben, so sollen Sie die Gewißheit haben, daß wir uns mit Leidenschaft und Vehemenz für dieses Buch einsetzen werden. Auch ich bin besessen von der Idee, dieses Buch an einen größten Käufer- und Leserkreis heranzuführen. Aber dafür brauche ich die optimalen Bedingungen, also den Start im Frühjahr und das Manuskript jetzt und sofort.
    Ich baue auf Ihre persönliche Vernunft und bin mit herzlichen Grüßen
    Ihr alter
    Siegfried Unseld

    Anlage: Kontenaufstellung vom 24. 10. 72
THOMAS BERNHARD
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