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Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld

Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld

Titel: Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raimund Fellinger
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wollen, so sagen Sie deutlich nein , aber ignorieren Sie nicht, was ich vorschlage. Die Ignoration muss ich verachten, gleich von welcher Seite. Ich kann mir vorstellen, dass Sie den Begriff der Un diplomatie vor Augen haben, wenn Sie daran denken, ein solches Buch zu machen. Aber sagen Sie dann wirklich: es ist (wäre) undiplomatisch. Zu schweigen in einem solchen Falle wirkt auf mich in Gedanken . Zu überflüssigen.
    Das Thema Salzburg ist nicht erschöpft: wie kann der Verlag eine Neuauflage des »Ignoranten« machen mit allen vorherigen Druckfehlern, mit Druckfehlern, die entscheidend abstossend, sinnentstellend und das ganze Buch in Frage stellend, sind. Man hätte doch die Zeit haben müssen, mich nocheinmal etwa in Form eines Expressbriefes, einer telegrafischen gefährlichen Drohung etcetera, an das Zuschicken der Korrektur zu erinnern. Der Vorgang ist so haarsträubend, wie die Auflage abstossend für mich. Entschuldigt kann hier nichts werden.
    Hier bin ich bei einem weiteren Punkt: es geht nicht, dass ich nicht verständigt bin, überhaupt nicht, wenn im »Spectaculum« ein Stück von mir abgedruckt wird, wenn auch aus dem eigenen Verlag, hier geschieht einfach etwas über meinen Kopf, der nicht alles widerspruchslos hinnimmt, was ein grösserer und kräftigerer und dadurch mächtigerer Apparat ohne zu fragen beschliesst. Und dieser »Boris« im »Spectaculum« strotzt vor neuerlichen Druckfehlern und ist wiederum nichts als abstossend. 3
    Aber ich muss überhaupt sagen, dass Rach mich in einer Weise enttäuscht, die nicht zu formulieren ist. Keinerlei Nachricht ist etwas, was ich mir nicht gestatten lassen darf, wenn es sich vor allem um Theater handelt. Aus dem Büro Rach kommt nichts, ausser ein paar nichtssagende Agenturmeldungen, dummen Rezensionsausschnitten. Beispiel: dummes Zeug aus Kleinblättern über die Berliner Aufführung, aber kein Wort aus der FAZ etcetera. Das Kaffeehaus ist meine Rettung. Wäre ich auf den Verlag angewiesen, müsste ich glauben, ich sei einer der erfolglosesten, gerade noch geduldeten Schriftsteller, das ist eine absurde Verzerrung.
    Wozu existiert ein Büro, wie das von Rach, wenn ich nichts erfahre, was mich betrifft, nichts über Proben, Besetzung in Zürich, Wien, Berlin, München. Hier sind die Apparate sinnlose Apparate. Es wäre doch das Natürlichste, mich laufend über alles, was meine Theaterarbeit betrifft, zu unterrichten. Ich erfahre aus eigenem Hundertmal mehr, und Unumgängliches, als aus dem Verlag, von dem ich soviel wie nichts erfahre. Ich habe, was die Stücke betrifft, nicht den geringsten Rückhalt im Verlag. Dass die Theater meine Stücke spielen, ist, glaube ich, doch tatsächlich nur mein »Verdienst«, das muss ich leider offen sagen. Denn soviel ist mir klargeworden, im Suhrkampverlag habe ich keine Potenz, die für mich da ist, für mich eintritt, das Wort Zusammenarbeit ist ein Hohnwort. Anonyme Sekretärinnen schicken dumme Agenturmeldungen. Rach ist für mich Desinteresse, nichts sonst.
    Von Hilde Spiel hörte ich gestern, dass Sie in mich gedrungen wären, den sogenannten Csokorpreis doch anzunehmen. 4 Aber ich habe mit Ihnen niemals den geringsten Kontakt, diesen Preis betreffend, gehabt. Und Sie haben einen solchen Kontakt mit mir niemals aufgenommen gehabt. Was stimmt also?
    Was mein neues Theaterstück, besser Schauspiel, betrifft, muss ich wohl wieder alles im Alleingang unternehmen. Dem Zufall und der Gleichgültigkeit ausliefern, will ich mich nicht mehr.
    Diese Gedanken könnten fortgeführt werden, aber ich sehe heute keine Notwendigkeit dazu. Wenn wir miteinander reden könnten, wäre es das beste. Ich kenne keinen Menschen, der auf dem sogenannten Literaturmarkt zurückhaltender ist. Aber Sache des Verlags wäre es doch, das seine zu tun.
    Darf ich Sie abschliessend um eine vollkommen genaue detaillierte Aufstellung meiner Verlagsfinanzen bitten und zwar innerhalb einer Woche, also sehr dringend, um alle Details der Geldbewegungen mich betreffend nach Darlehen und »Normales« getrennt, ab Salzburger Festspiele und Fernsehaufzeichnung des »Ignoranten«. Diese Papiere brauche ich im Grunde sofort. 5
    Mit herzlichen Grüßen Ihr
    Thomas Bernhard
    1   Der Brief von Th. B. trägt irrtümlich das Datum »18. 11. 72«; das Original im Verlagsarchiv trägt durch die Korrektur von 11 zu 10 das Datum »18. 10. 1972«.
    2   Daraus wird dann der erste Band der autobiographischen Erzählungen Die Ursache. Eine Andeutung , der

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