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Der Briefwechsel

Der Briefwechsel

Titel: Der Briefwechsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Siegfried Peter-Unseld Handke
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sich mit der Zeit und sicher ganz auflösen, wenn wir einmal Dein neues Buch ankündigen können.
    Was Eva Engström betrifft, so kann ich von hier aus nichts sagen, aber ich kümmere mich darum, sobald ich wieder zurück bin.
    Hier lese ich hauptsächlich Wittgenstein, und zwar in den »Vermischten Bemerkungen«. Ganz erstaunliche Dinge gibt es da zu lesen. So über das Österreichische: »Ich glaube, das gute Österreichische (Grillparzer, Lenau, Bruckner, Labor) ist besonders schwer zu verstehen. Es ist in gewissem Sinn subtiler als alles andere, und seine Wahrheit ist nie auf Seiten der Wahrscheinlichkeit.«
    Für mich ist erstaunlich Wittgensteins Appell an das Selbst. Unser angeblicher Fortschritt konstruiere immer kompliziertere Gebilde, Klarheit sei nur Mittel zum Zweck, während ihm Klarheit der große Selbstzweck ist. Und wie ganz persönlich zu mir gesprochen, wie wichtig es sei, eine Art zu leben, »die das Problemhafte zum Verschwinden bringt«. Und dann das Notat von 1937: »Laß uns menschlich sein«. Mir geht bei der Lektüre etwas ein, was eine Art neuer Kosmos ist und doch eine schöne Selbstbestätigung. 2
    Herzliche Grüße
    Dein
    gez. Dr. Siegfried Unseld
     
    i. A. Dagmar Hoffmann
    Sekretariat
    1
337 S. U. lag vom 24. Januar bis 2. Februar 1978 im Klinikum der Johann Wolfgang Goethe-Universität. Diagnose: Hörsturz durch Blutkreislaufstörung im Mittelohr.
2
Ludwig Wittgenstein, Vermischte Bemerkungen , S. 14, 58 und 64.
    [269]
    [Clamart]
    3. Februar 1978
    Lieber Siegfried,
    ich denke, daß Du inzwischen wieder aus dem Krankenhaus hast weggehen können. Ich kann mir Dich da schlecht vorstellen – obwohl Du ja doch schon Erfahrung hast. Und auch an solchen Orten denkt man sich ja mit der Zeit seine eigene Welt herbei, und ist nicht mehr so sehr in der Fremde.
    Ich bin sicher, daß Schaffler dem Erscheinen im Frühjahr zustimmen wird. Am Telefon klang er sehr bereit. Auf jeden Fall werde ich ihn Ende Februar in Österreich sehen. Das Argument, daß Du Dich mit der Form der Veröffentlichung zu dem Buch stellst, ist ja einleuchtend. Und gerade bei einem solchen Buch ist das rasche Übergehen ins pocket selbstverständlich. (Ich hätte es vielleicht nur nicht »Journal« nennen sollen im Untertitel, sondern, wie ich es vorhatte, »Phantasie der Ziellosigkeit«, was mir als Haupttitel vorschwebte, mir vom Lektor aber leider ausgeredet wurde. Ich würde es gern als Untertitel fürs Taschenbuch einsetzen.)
    Ja, bitte kümmere Dich ein wenig um das Buch von Eva Engström. Ich fühle mich verantwortlich, träume schon von deren Kindern, die mich verfolgen. Daß damals das Ernst-Meister-Taschenbuchprojekt so ohne was verging, wurmt mich immer noch, und ich fühle eine Art Schuld. 1
    338 Ich habe auch eine schöne Neuigkeit. »Die linkshändige Frau« wird in den offiziellen Wettbewerb des Festivals von Cannes gehen. Was Besseres konnte man sich gar nicht erträumen. Das ist auch der Ort für den Film. So werden wir den Kinostart für das Festival etwas verzögern, bis Mitte Mai. Außerdem kriege ich ein vergoldetes (?) Reh mit dem berühmten Namen Bambi für das Werk … 2
    »Die Unvernünftigen sterben aus« sind hier ein richtiger Erfolg, in einer etwas schwerfälligen, aber auch wieder grandiosen Inszenierung. Das Theater (über 800 Plätze) ist jeden Abend voll, obwohl es außerhalb von Paris ist. Auch »Falsche Bewegung« läuft hier im Kino sehr gut und wird noch lange laufen. Das alles gibt mir viel Mut – man hat doch zu viel von sich auf seine Gebilde übertragen – und lebt erst richtig auf, wenn diese in den Leuten aufleben. Und das ist der Fall. 3
    Du willst eine Art Kommentarband zu »Das Gewicht der Welt« herausbringen. Dazu fällt mir eine Meinung schwer. Es müssten halt Leute richtig Lust haben, das zu machen. Es gibt übrigens sehr schöne, herzerwärmende, d. h. genau teilnehmende Kritiken von Krolow und Rühmkorf (!) – das, weil Du mir damals sagtest, daß »meine Kollegen« eher feindselig seien. Es gibt aber auch unter ihnen freie Menschen. 4
    Danke für Dein Buch: es ist eine richtige Arbeit, und Du kannst stolz drauf sein. (Nur solltest Du Dich nicht zu sehr ins Meinen und Denken wagen – oder es wirklich wagen, nicht nur zitieren und gehorsam nachsagen. Es gibt keine Kompetenz, außer Deiner eigenen. Aber zu der stehst Du »denkend« selten; redend eher.) 5
    Was wird mit Christian Wagner? Hast Du den Aufsatz von meiner Wenigkeit gesehen? Es war eine Arbeit

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