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Der Briefwechsel

Der Briefwechsel

Titel: Der Briefwechsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Siegfried Peter-Unseld Handke
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ich nämlich für zwei Wochen in die USA , dann komme ich zurück und habe feste Reiseverpflichtungen. 1 Ich könnte mich jedoch so einrichten, daß ich am 25. und 26. Mai in Paris wäre, ich komme jedoch nur hin, wenn ich Dich wirklich treffen kann. Wenn Du also bis Donnerstag nicht anrufen kannst, bist Du so gut und schreibst Frau Zeeh eine Zeile, ob Dir die Tage 25./26. Mai angenehm sind? 2
    Alles Gute und herzliche Grüße –
    Dein
    [Siegfried Unseld]
    1
345 S. U. hielt sich zwischen dem 28. April und 18. Mai 1978 in den USA auf (Washington, Austin, Chicago, San Francisco, Paolo Alto, Los Angeles, San Diego und New York).
2
P. H. hielt sich im April 1978 in der UdSSR (Georgien und Armenien) auf. Valentin Sorger (der Protagonist der Langsamen Heimkehr ) sollte von Alaska bis nach Osteuropa reisen. Zwischen Mai und Juli 1978 hielt sich P. H. in Südfrankfreich (Cannes), Italien (Rom, Siena) und auf Rhodos auf. S. U. besuchte am 13. April 1978 in Paris Samuel Beckett und Robert Voisin, den Leiter des Verlags L'Arche. Am 17. und 18. April war er in Paris aus Anlaß der Verleihung des Rilke-Preises an Ernst Meister und traf E. M. Cioran und Alejo Carpentier.
    [275; Anschrift: Clamart]
    Frankfurt am Main
    23. Mai 1978
    Lieber Peter,
    als ich in Amerika war, wies mich mein Kalender darauf hin, daß ich den Fronleichnam in Paris mit Dir zugebracht hätte. Aber nun bist Du unterwegs, so daß wir dieses Zusammentreffen nicht realisieren können.
    Der für mich nächstmögliche Termin ist der 22. Juni. Ich würde dann ein paar Tage bleiben. Mir wäre es am liebsten, wir würden uns gleich am Nachmittag des 22. Juni treffen, und wenn es Dir möglich wäre, auch am Abend zusammen bleiben. Kannst Du das so einrichten?
    Ich freue mich sehr, Dich wiederzusehen. 1
    Herzliche Grüße
    Dein
    [Siegfried Unseld]
    1
S. U. hielt sich vom 22.-24. Juni 1978 in Paris auf. In einer Notiz mit dem Titel Peter Handke, 23. Juni 1978 , hielt er fest: »Freitag,
346 18 Uhr, rush hour, Paris fährt ins Weekend. Statt 20 Minuten Autofahrt nach Clamart (nicht einem Vorort von Paris, sondern einer selbständigen Stadt, distanziert zu ihr) brauche ich 75 Minuten. Das Haus, 53, rue Cécille Dinant, ist kurz vor der Jahrhundertwende aus Steinen der Landschaft erbaut worden. Die drei Etagen großzügig geschnitten, Marmorbad, Kamin, Garten mit Kirschen und Weichseln; hier läßt sich leben und, wie man an Handkes Schreibtisch sieht, auch arbeiten. Es ist das Haus, in dem der Film ›Die linkshändige Frau‹ entstand. Die Atmosphäre wie immer, vielleicht doch um einige Grade kälter. Handke fragt nichts, so muß ich die immer wieder entstehende Schweigezone mit Gesprächsthemen ausfüllen. Nach einer halben Stunde fahren wir mit der Vorortbahn nach Meudon, wo wir mit Amina [Tochter von P. H.] in einem sehr guten Restaurant zu Abend essen. […] Nach dem Essen wendete ich das Gespräch auf Handkes Arbeiten. Und hier wurde er nun sehr scharf ausfallend. Ich hätte ›Leuten‹ den Titel seiner beiden Bücher ›Ins tiefe Österreich‹ und ›Im tiefen Österreich‹ erzählt, und jetzt erhalte er Briefe, die diese Titel beinhalteten und in denen nach diesen Titeln gefragt würde. Damit hätte ich ihm diese Titel gestohlen. Ich entschuldigte mich dafür, denn in der Tat hatte ich ›Freunden‹ davon erzählt, aber eben auch der Freundeskreis ist durchlässig. Ich schlug ihm jenen Titel vor, den wir schon einmal für die ›Linkshändige Frau‹ erwogen haben: ›In ein anderes Land‹ oder ›Ins Land der Phantasie‹. Dann kam ihm ganz unvermittelt die Äußerung, daß er sein Haus aufgegeben habe, jetzt zwei Wochen in Slowenien wandere, dann eine Woche in Venedig im Hotel Cipriani sein möchte. Danach ein Jahr lang (Amina geht zur Mutter) Klausurarbeit am Roman, wo, wollte er nicht sagen. Wir fuhren mit der Bahn wieder zurück, es ist an sich der Zug, der mich nach Paris führt, und ich hatte schon mein Pariser Ticket. Dann bat er mich doch noch zu sich zu einer Flasche Wein. […] Und dann, nach einigen Gläsern Wein, äußerte sich bei ihm ein Haß gegen die Bundesrepublik, ein Land, das zu nichts mehr fähig sei, ein Kadaver, eine vom Erdbeben verwüstete Gegend. Die anständigen Leute, Baader und Croissant, würden verfolgt, Berufsverbot, Jugendarbeitslosigkeit, Denunziantentum, alles lieblos, unmenschlich, seelenlos. Dann wieder räsonierte er, was sei das wichtigste? Und mehrfach wiederholte er: Größe, Anonymität, anderen

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