Der Briefwechsel
versucht, Dich anzurufen. Ich bin froh, Dich wieder in Paris zu wissen.
Was den Erscheinungstermin für das Taschenbuch von »Das Gewicht der Welt« betrifft, so können wir genauso proze
342 dieren. Ich habe das schon den Residenz Verlag wissen lassen.
Natürlich spreche ich nicht von drei und vier Bänden. Nur den Leuten, die Dich gelegentlich als Schreiber von allzu schmalen Broschüren sehen, sage ich, daß Du an einem zweibändigen »dicken« Roman säßest. Und ich erwähne das gelegentlich auch denen gegenüber, die da fragen, ob ein nächstes Buch bei Residenz oder bei Suhrkamp käme. Doch lassen wir das, ich verstehe gut, daß Du das Buch in Konzentration und Anonymität schreiben möchtest.
Wir sehen uns spätestens in Zürich. Eine Einladung erhältst Du noch. Die Sache beginnt am Freitag, 14. April, mit einem Mittagessen des Stadtpräsidenten. Falls Dich das nicht interessiert und auch nicht die Diskussion um 16.00 Uhr, so bitte ich Dich dringlich, spätestens um 19.00 Uhr dann in Zürich zu sein, um 20.00 Uhr an der Veranstaltung der Lesung teilnehmen zu können.
Wirst Du von Zürich aus gleich wieder nach Paris zurückfliegen? Am Montag, dem 17. 4., wird dort der Rilke-Preis an Ernst Meister verliehen. Die Veranstaltung findet um 18.30 Uhr im Goethe-Institut statt. Am Dienstagmorgen sähe ich Dich gerne, wenn Du in Paris bist. Am Dienstagmittag lade ich zu einem Mittagessen einige Autoren und ein paar Verlagsleute von Gallimard ein, wo Joachim zur Zeit arbeitet. Ich würde mich sehr freuen, wenn Du daran teilnehmen könntest, aber ich respektiere natürlich Deine Absicht, Dich bei der Arbeit nicht stören zu lassen. 1
So long und
herzliche Grüße
Dein
[Siegfried Unseld]
1
Joachim Unseld arbeitete als Volontär 1978 zwölf Monate im Verlag Gallimard, Paris.
343 [273]
[Clamart]
3. April 1978
Lieber Siegfried,
es ist so, daß ich, nachdem ich das Programm für Zürich gelesen hatte, beschlossen habe, nicht dahin zu gehen. 1 Seit ungefähr einem Jahr (seit ich den Film fertig habe – aber es hat nichts mit der Filmarbeit zu tun) fühle ich mich herausgelöst aus dem Bezugssystem der deutschen Literatur; es war nicht da mit einem Schlag, sondern ist geschehen als langsamer Vorgang, der in diesem Winter vor allem seine Ruhe und Klarheit gefunden hat. Ich bin in dieser Szenerie, die etwa auch in dem Programm skizziert ist, nicht mehr auftrittsfähig; auch auftrittsunwillig. Ich will in diesem elenden, durchschaubar politischen Spiel nicht mehr vorkommen. Natürlich bleibe ich aber jemand, der etwas aufschreibt, und der auch etwas Großes machen will; wenn schon. Aber meine Verachtung und meine Abneigung sind unüberwindlich geworden, und es wäre würdelos, träte ich weiter in eine Erscheinung, in der nicht meine Identität liegt. Es tut mir also leid, daß ich so leichtsinnig zugesagt habe – als handele es sich um ein rührendes, bloß familiäres Treffen. Ich schreibe das in einer Ruhe, in der ich aber ebensogut die tiefste Schmähung ausdrücken könnte.
Alles Gute für die Veranstaltung, und wie immer herzlich,
Dein Peter
1
Am 14. und 15. April in Zürich (100. Geburtstag) sowie am 16. April 1978 in Bern fanden unter dem Motto »Robert Walser zu ehren« Gesprächsrunden, Vorträge und Lesungen von Autoren und Kritikern statt. Am 14. April lasen aus dem Werk von Robert Walser (dessen Gesamtrechte der Verlag 1977 erworben hatte; zum Anlaß erschien: Robert Walser, Das Gesamtwerk , herausgegeben von Jochen Greven, als zwölfbändige edition suhrkamp werkaus
344 gabe ): Ilse Aichinger, Alfred Andersch, Peter Bichsel, Alice Ceresa, Maurice Chappaz, Hans Magnus Enzensberger, Max Frisch, Walter Höllerer, Uwe Johnson, Wolfgang Koeppen, Adolf Muschg, Paul Nizon, Jörg Steiner, Otto F. Walter. P. H. und Thomas Bernhard lasen, obwohl im Programm angekündigt, nicht. Am 15. April wurde Ludwig Hohl der Robert Walser-Zentenarpreis überreicht. Am 16. April erhielt Marianne Fritz den erstmals verliehenen Robert Walser-Literaturpreis.
[274; Anschrift: Clamart]
Frankfurt am Main
24. April 1978
Mein lieber Peter,
ich war zweimal in Paris, aber Dein Telefon antwortete nicht. Paris büßt viel an Sinn ein, wenn ich Dich nicht sprechen kann.
Es gäbe einiges zu reden, doch das Wichtigste wäre, daß wir uns einfach wieder träfen. Ich weiß nicht, wann Du wieder zurück sein wirst und ob Du mich noch bis Donnerstag einschließlich hier in Frankfurt anrufen könntest. Am Freitag fliege
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