Der Briefwechsel
dazu.«
[463; Anschrift: Chaville]
Frankfurt am Main
17. August 1990
Lieber Peter,
hab Dank für Deinen lieben Brief vom 13. August. – Ulla und ich freuen uns sehr, Dich am 1. September in Deiner neuen Behausung sehen und sprechen zu können.
Wir wohnen im Hotel Intercontinental und nehmen so gegen 17.00 Uhr ein Taxi. Man kann doch wohl annehmen, daß der Taxi-Fahrer die rue de Jouy finden wird.
Volker Hages Kritik ist sehr beachtet worden. Wir haben sie nachgedruckt und sie an Buchhandlungen zur Kenntnis und zum Aushang gesandt. 1
Also: Bis zum 1. September! Wir werden dann den 28. August schon überstanden haben. Ulla wollte eine kleine, stille Zeremonie und eine Information danach; jetzt zerreißen sich die Presseleute schon die Mäuler.
Herzliche Grüße
Dein
[Siegfried Unseld]
P. S.: Von einer Leserin aus Zürich erhielt ich folgende Zeilen:
»Durch all die Jahre in zunehmendem Maß neugierig und dankbar, aus Innerstem überzeugt sein, all den Schmährufen trotzend, war und ist Handke einer der ganz wenigen Autoren der Gegenwart, von dem vorbehaltlos alles mich interessiert, was er beiträgt. Seine Tätigkeit – das ›Bil
568 der-Erfühlen und das entsprechende Worte-Setzen‹ – diese ihm eigene, äußerst kunstvolle Art des Übersetzens, die zu den höchsten Genüssen führt, vermag spiegelbildhaft das Eigene, in verborgenen Winkeln Aufgehobene, Schlummernde zu erinnern. Sein tiefes Schauen, die umschweiflose Wahrnehmung, die er gebündelt in den Erzählstrom fließen läßt, stehen gegen Weltverlassenheit. Die große Dankbarkeit des Lesers wird sein unermütliches Suchen und Trachten nach Echtem, Wahren lohnen …«
Natürlich habe ich mich gefreut, zu erfahren, daß auch Du in dem erwähnten Radiogespräch bewegt und begeistert bist.
1
Volker Hage, Schreiben in Soria , in: Die Zeit , 10. August 1990. Dort heißt es: »Unter all den Nebenwerken und Nebenbei-Büchern, den Splittern und Bruchstücken, aus denen sich die deutsche Literatur seit einiger Zeit vornehmlich – und höchst achtbar – zusammenfügt, zählt dieses Werk zum Glänzendsten und Bewegendsten.«
[464; Anschrift: Chaville]
Frankfurt am Main
5. September 1990
Lieber Peter,
aus Anlaß des 40jährigen Verlagsjubiläums haben wir uns noch einmal an unsere Verlagsgeschichte gemacht. Ich schicke Dir das Buch mit gleicher Post zu. Seit 1966 bist Du in diese Geschichte eingezeichnet. 1
Herzliche Grüße
[Siegfried Unseld]
1
Geschichte des Suhrkamp Verlages. 1. Juli 1950 bis 30. Juni 1990 . Mit zahlreichen Abbildungen und einem Leporello.
569 [465; Anschrift: Chaville]
Frankfurt am Main
23. Oktober 1990 1
Lieber Peter,
nach dem Besuch bei Dir waren wir in der Closerie de Lilas und die Drehtür drehte sich.
Herzliche Grüße
[Siegfried Unseld]
Anlage 2
1
Der Brief bezieht sich auf den Aufenthalt von Ulla Berkéwicz und S. U. in Paris am 1. und 2. September 1990 in Paris. Im entsprechenden Reisebericht ist vermerkt: »Sonntag, 2. September: Wir sind für Mittag mit Cioran berabredet. Was macht man an einem freien Vormittag? Ulla Berkéwicz dringt auf Spuren Becketts. So pilgern wir durch den Jardin du Luxembourg, wo Cioran und Beckett sich trafen – jeder auf seinen alten Wegen. Und dann zur ›Closerie des Lilas‹ an jenen Tisch, an dem ich mich mit Beckett drei, vier, fünf Mal getroffen habe und an den Peter Handke sich in seinem ›Versuch über die Jukebox‹ erinnert, als er feststellt: ›Puerta giratoria war die Drehtür (durch die Samuel Beckett seinerzeit in die Pariser «Closerie des Lilas» getreten war).‹«
2
Die Anlage ist nicht ermittelt.
[466; handschriftlich]
[Chaville]
24. Oktober 1990
Lieber Siegfried,
Ulla wird Dir erzählt haben, daß ich Dich gestern bei einer Zwischenlandung in F. zu erreichen versuchte, aber, in Ullas Worten, Du warst »draußen in der Welt«. Ich wollte auch nur grüßen und nach Deinem Bruder fragen. 1 Und
570 dann! Und zu der Stunde in der Kirche Birnau am Bodensee kann ja nicht telefoniert-geredet werden, nicht einmal in so einem kleinen Brief geschrieben, so voll (und schwer und leicht) war sie. Ich danke Euch beiden, daß ich dabei war, samt Äpfeln und Birnen im Regen. Auch hier im Garten von Chaville hat es gerade zu regnen angefangen, ich sehe es vor dem dunklen Muster der Zeder.
In Berlin, wo ich wegen des Films vom Wim Wenders und der Aufführung von »A Winter's Tale« an der Schaubühne war, traf ich auch Jean-Marie
Weitere Kostenlose Bücher