Der Briefwechsel
Straub und Danièle Huillet (seine Frau). Sie werden demnächst, eben an der Schaubühne, Brechts »Antigone« inszenieren, und wollen danach-daraus in Sizilien (Segesta) einen Film machen. Dazu brauchen sie die Rechte (zur Unterstützung auch durch die Filmförderung Berlin) und für »außerhalb Europa« (= Welt) eine Option (das zählt im Moment kaum). Mich erachten sie als den rechten Fürsprecher bei Dir, auch damit sie, deren Filme immer nur in kleinen (freilich guten) Zirkeln laufen, nicht mehr bezahlen müssen als sie können (und zahlen können sie wenig). So bitte ich Dich, den Straubs diesmal – da sie, anders als einst beim »Geschichtsunterricht« (nach Brechts »Die Geschäfte des …«), rechtlich korrekt vorgehen möchten – günstig gesinnt zu sein und ihnen ihr kleines Projekt zu ermöglichen. Sie sind eigensinnige Künstler und letzte Mohikaner, aber die letzten … Ich bin bei fast allem, was sie getan haben, auf ihrer Seite, es ist eine, auf den ersten Blick verschrobene, Archäologie und Feier des Poetischen, was sie unverdrossen betreiben. Und mildere vielleicht in diesem Sinn die sonst so richtig strenge Frau Ritzerfeld. Ob auch Ulla für die beiden ihr Wort sagt? So.
Es regnet noch immer. Im Haus ist schon die Heizung an, der Thermostat zeigt 18°. Bald geht es wieder ans Tun, diesmal im Seßhaftsein, zum ersten Mal seit fast 4 Jahren. Und
571 natürlich ist mir etwas seltsam zumute. Es wäre eine Freude, bald einmal in Ruhe mit Dir und Ulla reden zu können. Ich habe auch so einen langen Mantel gerade an, wie Du ihn in der Kirche bei Bach hattest; nur ist er schwarz. Auf bald?
Dein Peter
1
Walter Unseld mußte sich im April 1990 infolge einer Krebserkrankung einer schwerwiegenden Operation unterziehen und starb am 13. November 1990.
[467; Anschrift: Chaville]
Frankfurt am Main
30. Oktober 1990
Lieber Peter,
herzlichen Dank für Deinen lieben Brief vom 24. Oktober. – Ich werde Dir einmal sagen, warum dieser Brief mir so besonders in diesen Tagen und gerade an dem Tag, an dem ich ihn empfing, wohl getan hat. Bitte sei sicher, daß Ulla und ich jederzeit bereit sind, Dich zu treffen. Du gehst jetzt wieder an seßhaftes Tun – meine Gedanken sind bei Dir. 1
Zu Jean-Marie Straub: Ich weiß nicht, ob Du die Geschichte mit dem »Geschichtsunterricht« kennst: Ohne Rechte drehte Straub den Film; als es dann doch zu einer Vereinbarung kam, den Film nur als geschlossene Veranstaltung aufzuführen, hat er sich auch daran nicht gehalten. Kurzum, er hat dadurch Barbara Brecht-Schall nicht nur verärgert, sondern sie so gereizt, daß sie von ihm nichts mehr wissen will. 2 In Filmsachen können wir nicht vom Verlag aus handeln, wir müssen, was Film und Fernsehen in Europa betrifft, die Zustimmung von Barbara haben und für
572 »Welt«-Optionen auch die von Stefan Brecht. Vielleicht könnte man die beiden zum Einlenken bringen, wenn Geld auf dem Spiel steht, aber mit wenig Geld oder gar keinem Geld werden die beiden zu keiner Zustimmung zu bewegen sein – nicht einmal mit Engelszungen. Es gibt natürlich auch ein »Andererseits«: Der »Antigone«-Stoff schwebt frei in der Rechte-Luft.
Bitte doch Jean-Marie Straub, er möchte Dir das Projekt schriftlich skizzieren, ich muß das an Barbara weiterleiten und werde den Plan dann voll unterstützen. Vielleicht kann Straub, im Falle, daß er eine Filmförderung erhält, das angebotene Honorar erhöhen.
Alle guten Wünsche für Dich und Deine Arbeit. Ich hoffe wirklich – bis bald
Dein
[Siegfried Unseld]
1
Ende Oktober erreichten die Auseinandersetzungen zwischen den beiden seit 1987 »gleichberechtigten Verlegern« Joachim Unseld und S. U. ihren Höhepunkt. Sie mündeten in einer von S. U. gezeichneten Internen Notiz vom 27. November 1990: »Dr. Siegfried Unseld (66) und sein Sohn Dr. Joachim Unseld (37) beginnen einen neuen Abschnitt auf dem Wege Joachim Unselds zur Nachfolge in der Leitung der Verlage Suhrkamp und Insel. Nach mehrjähriger erfolgreicher Leitung des Verkaufsressorts durch Joachim Unseld haben Vater und Sohn in den letzten drei Jahren als gleichberechtigte Verleger zusammengearbeitet. Joachim Unseld wird sich für einige Zeit aus der aktuellen Verlagsarbeit zurückziehen und außerhalb des Verlages arbeiten.« Am 18. Juli 1991 gaben S. U. und Joachim Unseld in einer gemeinsamen Presseerklärung den Mitarbeitern des Suhrkamp und Insel Verlags das Ausscheiden von Joachim Unseld aus dem Suhrkamp und Insel
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